02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis
Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis
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Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis
3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. 5 Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. 8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.
Liebe Gemeinde,
Wenn das jährliche Passah-Fest gefeiert wird, wird beim Lesen der Befreiungsgeschichte des Volkes aus der Sklaverei in Ägypten in der Pesach-Haggada vorgegeben, die Geschichte solle so erzählt werden, als wäre man selbst dabei: so als würde man sich selbst mit auf die Flucht durch das Rote Meer begeben und das rettende Ufer erreichen.
Warum?
Die Befreiung aus der Sklaverei ist für den biblischen Glauben nicht nur ein integraler Bestandteil: er ist hat eine durch und durch existentielle Bedeutung für mich…für mein Leben. Ich darf mich jetzt schon als „frei“ verstehen – trotz aller Dinge, die mich binden mögen. Jetzt bin ich frei und nicht erst später einmal. Jetzt!
Deshalb erinnern als wäre man selbst dabei gewesen.
Dieses Beispiel mag vielleicht erklären, warum Paulus schreibt, dass die Taufe etwas ist, mit der wir in Jesu Tod hineingenommen und mit Jesus begraben werden.
Denn wenn wir von Jesu Tod – und das ist von Ostern her immer sofort im gleichen Gedankenzug mitzudenken – auch von seiner Auferweckung reden, dann sollen wir das so tun, als wären wir selbst dabei gewesen.
Als ständen wir nicht nur mit am leeren Grab des Ostermorgens, sondern: als hätten wir dieses Grab auch verlassen.
Diese andere Befreiungstat Gottes – den Tod in seine Schranken zu weisen – gilt auch uns. Aber eben nicht nur einfach grundsätzlich, nicht nur irgendwann – etwa am Jüngsten Tag. Sondern jetzt.
Denn in der Taufe eines jeden Menschen wird für uns vergegenwärtigt, was Jesu Ergehen für uns und diese Welt bedeutet.
In der Taufe nehmen wir das für uns an.
Klinken uns ein in diese Befreiungsgeschichte. Bejahen sie.Nehmen sie für uns wahr – im doppelten Sinne des Wortes.
Taufe ist auf diesem Hintergrund so etwas wie eine Positionierung des eigenen Lebens: für diejenigen, die sich – wie heute – bewusst entschieden haben, sich taufen zu lassen – und auch für diejenigen, die ihre Kinder zu Taufe bringen: das eigene Leben oder das anderer unter den NAMEN Gottes zu stellen.
Und dabei ist diese Positionierung eine Verortung, die weit über die Frage der Sinngebung für das eigene Leben hinausgeht.
Es ist ein Akt der Hoffnung in einer Welt, die viel zu oft nicht mehr als gute Schöpfung Gottes erkennbar ist: eine Welt von Gewalt und Zerstörung verunstaltet – in der alles Leben so dermaßen gefährdet ist.
Gerade da gehören Taufe und Hoffnung zusammen.
Dass in der Taufe dieser Satz als wahr bekannt wird:
Weil das, was ist, nicht alles ist, kann sich das, was ist, auch ändern!
Für mich – für die gesamte Welt.
Hoffnung, dass die vorfindlichen Gewalt- und Herrschaftsstrukturen – dass Ausbeutung jeglicher Art – dass die Inhumanität eben nicht das letzte Wort gehalten – dass das sich alles eben nicht durchsetzt. Sondern allein das Leben – die Humanität siegen werden.
In den Tod Jesu hineingetauft zu sein, beinhaltet Hoffnung im Angesicht dieser Welt haben zu können – haben zu dürfen.
Auch wenn es ein täglicher Kampf ist, diese Hoffnung nicht zu verlieren.
Und Ausdruck dieser Hoffnung ist es dann auch – so wie es Paulus schreibt – nicht mehr „der Sünde zu dienen“.
Als Getaufte sind wir demnach nicht nur HoffnungsträgerInnen, sondern auch Sünderverweiger.
Und das bedeutet vor allem, all dem Widerstand zu leisten, was uns diese von Gott gegebene und ermöglichte Hoffnung austreiben möchte.
Aber was ist mit „Sünde“ gemeint?
Nichts Moralisches/Moralisierendes, wie wir es immer zu hören bekommen haben. „Sünde“ als Begriff ist beschädigt worden – kontaminiert – meist mit einer leibfeindlichen muffigen Moral – zudem reduziert auf das persönliche Fehlverhalten.
Karl Barth – der große Theologe des letzten Jahrhunderts – hat drei Wesenszüge der Sünde vorgeschlagen – gerade auch um von dieser traditionellen Verzwergung des Sündenbegriffs wegzukommen. Drei Wesenszüge:
Hochmut – Trägheit – und Lüge.
Das ist m.E. eine sehr brauchbare und geniale Sicht und zeigt uns, wie der Begriff der Sünde aktuell und punktgenau das beschreibt, was unser Leben – was das Leben bedroht:
1. Hochmut ist vor allem das Allmachtsdenken. Als könnten wir Menschen alles – und vor allem: dürften alles, weil wir dazu die Möglichkeit haben. Wo heilsame Grenzen missachtet werden – mit der Konsequenz, dass auf Kosten anderer bzw. auf Kosten unseres Planeten gelebt wird.
Die Klimakatastrophe steht dafür.
Aber auch Kriege aufgrund von nationalen Interessen – bei denen der Rest der Welt in Geiselhaft genommen werden – wie der in der Ukraine.
Oder die Ausbeutung auf Kosten der Umwelt und auf Kosten von Menschen – mit all den Konsequenzen: Hungerkatastrophen, Umweltzerstörung oder Fluchtbewegungen.
2. Dann die Trägheit. Trägheit als Sünde mag überraschen. Aber sie ist schlicht die Kehrseite des Hochmuts. Damit ist gemeint, den Satz „Weil das, was ist, nicht alles ist, kann sich das, was ist, auch ändern!“ umzuändern – umzuformen in: „Weil das, was ist, eben so ist, wird sich auch nichts ändern!“ – mit der Konsequenz zu kapitulieren – alles hinzunehmen – nur noch hoffen, dass man selbst einigermaßen durch die Katastrophe hindurchkommt.
Nichts sehen – nichts hören – nicht sagen.
Nicht Gott, sondern den Gewalten dieser Welt die Ehre zu geben.
3. Und schließlich die Lüge – als Sünde.
Im medialen Overkill, den wir seit Jahren erleben, ist oft gar nicht mehr erkennbar, was Wahrheit und was Lüge ist.
Fake-News!
Gelogen wurde schon immer – gerade in Krisensituationen – aber nie so bewusst, ungeniert – so sehr als Strategie, um seine eigenen Interessen durchzusetzen.
Lüge als die Asozialität schlechthin – weil die Lüge alles Miteinander untergräbt und zerstört.
Dem allen nicht dienen. Dem nicht Glauben schenken.
Vielmehr die Wahrheit lieben – am Glauben an das Gute/das gute Ende festhalten – und Solidarität/Mitmenschlichkeit praktizieren.
Taufe hat eine politische Dimension, die weit über den eigenen persönlichen Glauben hinausgeht.
Vorhin haben wir als Lesung die letzten Verse aus dem Matthäusevangelium gehört – wo eigentlich das Gleiche nur eben anders zum Ausdruck gebracht wird:
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Taufe ist eine Positionierung in dieser Welt.
Sich selbst verorten bei DEM, DER diese Welt erschaffen hat – DER dafür sorgen wird, dass sich hier auf Erden Gerechtigkeit und Frieden küssen werden.
In den Tod Jesu hineingetauft zu sein, beinhaltet Hoffnung im Angesicht dieser Welt haben zu können – haben zu dürfen.
Und es ist ein täglicher Kampf, diese Hoffnung nicht zu verlieren.
Denn das ist der Grund, warum Paulus auch von „wir“ spricht: als einzelner Mensch sind wir schnell am Ende – nicht nur mit unserem Latein.
Im Miteinander können wir uns gegenseitig erinnern, aufrichten, stützen.
Gemeinsam können wir uns vergewissern, dass wir mit unserer Hoffnung nicht allein sind.
Amen.
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