02/07/2024 0 Kommentare
Predigt über Lukas 17,20-24 (Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres)
Predigt über Lukas 17,20-24 (Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres)
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Predigt über Lukas 17,20-24 (Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres)
20 Als Jesus aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; 21 man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da! Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
22 Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. 23 Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft nicht hinterher! 24 Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein.
Liebe Gemeinde,
das ist ein biblischer Text, in dem auch wir vorkommen.
Ein Text, der – weil wir darin vorkommen – eine existentielle Bedeutung für uns hat: brandaktuell – in jeder Hinsicht.
Wo kommen wir da vor…in diesem alten Text?
Wir stehen neben den Pharisäern…wir stehen neben den Jüngern und Jüngerinnen.
Wir stehen neben ihnen – nicht abseits – mehr mitten unter ihnen. Denn das, was sie fragen bzw. was sie ersehnen, das sind auch unsere Fragen – das ist auch unsere Sehnsucht.
Und das, was Jesus antwortet – was er zu sagen hat, gilt auch uns – wie denen damals.
„Wann kommt das Reich Gottes?“
Diese Frage der Pharisäer ist eine richtige Frage – in jeder Hinsicht legitim. Mehr als naheliegend. Im Würgegriff der römischen Besatzung damals – mürbe gemacht durch die alltägliche Gewalt, war die Frage, wann denn endlich, Gottes Reich kommen möge, die einzig sinnvolle - naheliegende.
Eine Frage, die 2000 Jahre später nicht nur nichts von ihrer Dringlichkeit verloren hat. Eine Frage, die doch heute angesichts dieses ganzen Irrsinns selbsterklärend ist: wann hört es endlich auf…das Sterben…die Zerstörung…das Elend? Wann endlich? Wann endlich ist Frieden – wirklicher Frieden…nicht nur das Schweigen der Waffen: Frieden für jede Frau, jeden Mann, jeden Jugendlichen, jedes Kind? Keine Not mehr – für niemanden?
Und entsprechend das Verlangen der Jünger, wenigstens einen der Tage des Menschensohnes – des Messias – zu sehen (letztlich eine Variation der Frage der Pharisäer): brauchen wir das nicht auch? So etwas zu sehen? Ein unkaputtbarer Strohhalm, an dem wir uns festhalten können. Dass wir nicht komplett irre werden am Zustand dieser Welt? Eine Vergewisserung, dass die biblische Botschaft nicht nur einfach ein Hirngespinst ist?
Ich fühle mich den Pharisäern, den Jüngern zutiefst verbunden.
Was sie bewegt, bewegt mich auch.
Sie stehen da stellvertretend für uns.
Was nun Jesus den einen wie den anderen sagt, ist nun erst einmal sehr ernüchternd:
Keine Zeichen. Nichts!
Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; 21 man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da!
… Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen.
Anscheinend stehen wir mit denen damals mit leeren Händen da.
Warum?
Göttliche Grausamkeit?
Ein himmlisches Spiel?
So schwer es zu ertragen ist: es dient vor allem unserem Schutz.
Denn Jesus erweist sich in diesen Versen aus dem Lukasevangelium als Religionskritiker.
Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft nicht hinterher!
Der Sehnsucht, göttliche Zeichen hier auf Erden zu sehen, korrespondiert/entspricht der Versuch, sie auch dingfest zu machen.
Als Putin seinen 70. Geburtstag feierte, erklärte das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, dass der russische Präsident von Gott gesandt sei, die russische Nation zu retten.
Die Deutschen Christen im Nationalsozialismus erklärten Hitler ähnlich zum Heilsbringer.
Und guckt man sich die Kirchengeschichte an, ist jeder Versuch, das Reich Gottes an einer historischen Entwicklung oder an historischen Personen festzumachen, im Fiasko – im Blutbad geendet.
Religion ist das große Feld, in dem schon immer – auch schon zu biblischen Zeiten – Schindluder getrieben wurde. Wo Menschen verführt wurden und sich viel zu oft haben verführen lassen, Dinge zu tun…Menschen blind zu folgen…was niemanden gutgetan hat. Was allein Leid, Tod, Terror in dieser Welt gemehrt hat.
Diese innerbiblische Religionskritik ist – so können wir von Jesus lernen – notwendig – und: Ausdruck des Glaubens an den EINEN Gott … den Gott Abrahams und Sarahs – dem Vater Jesu.
Glauben an den Gott der Bibel und Religionskritik widersprechen sich nicht – sie gehören zusammen.
Abstinenzpflicht wurde denen damals und wird uns auferlegt, Gottes Reich in unserer Geschichte abzulesen.
Geht nicht hin und lauft nicht hinterher!
Leere Hände.
Und: und da stehen wir mit leeren Händen … und Jesus gibt uns – und das ist kein Widerspruch – trotzdem etwas mit auf den Weg.
Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Wie ist das jetzt zu verstehen?
Für mich hat dieser Verweis Jesu zwei Aspekte.
Der erste Aspekt betrifft uns – wie wir heute hier stellvertretend versammelt sind – hier in diesem Gottesdienst.
Als Menschen, die nicht von der Hoffnung ablassen wollen, dass doch alles ein gutes Ende haben wird – dass wir uns irgendwie daran festhalten, dass wir von Gott gehalten sind – dass der Tod nicht das letzte Wort hat.
Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Das Geschenk der Hoffnung, auch wenn diese manchmal mickrig, geknickt und so sehr gebeutelt daherkommt.
Das Geschenk der Hoffnung: Gottes Geist unter uns.
Nicht greifbar – nicht sichtbar – und trotzdem real.
Hoffnung als Reflex auf Gottes Reich.
Der andere Aspekt lenkt unseren Blick weg von irgendwelchen Zeichen…von irgendwelchen selbsternannten Heilsbringern…auf uns selbst: als Gemeinde und da auf unsere Praxis.
Getragen von Gottes Verheißung im Tun der Weisungen Gottes blitzt Gottes Reich auf. Im solidarischen Handeln atmet Gottes Reich – im Tun der Gerechtigkeit lebt dieses Reich.
Solidarisches Handeln – verwechselbar insofern, als dass Solidarität Ausdruck von Humanität ist. Humanität, die auch woanders anzutreffen ist.
Als Hoffende gehen auf dem Weg der Gerechtigkeit, der Solidarität – des Friedens. Zusammen mit allen anderen, die guten Willens sind.
Das gibt uns Jesus an die Hand.
Mehr nicht?
Mehr nicht!
Das muss reichen.
Das reicht.
Ein anderer Weg ist uns verbaut – um unseretwillen.
Jesus Weg reicht – weil wir nicht allein sind.
Weil Gott uns trägt – mit uns geht.
Weil wir darauf vertrauen dürfen, dass ER kommen wird.
Aber eben nicht berechenbar – nicht vorhersehbar: wie ein Blitz an SEINEM Tage.
ER wird kommen.
So sei es – so wird es sein!
Amen.
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