Die Schleusenwärterin - aus dem Titelthema unserer neuen GEMEINDEZEIT

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# Neuigkeiten aus Emmaus

Die Schleusenwärterin - aus dem Titelthema unserer neuen GEMEINDEZEIT

Als Begleiterin für trauernde Hinterbliebene erlebe ich Menschen zwischen Loslassen und Bewahren“

Von Sonja Intze. Dass Menschen bestattet werden, gehört wohl zu den ältesten Riten der Welt. Bereits in der Steinzeit wurden Verstorbene nicht einfach irgendwo begraben, sondern nach kulturellen Bräuchen an bestimmten Orten beigesetzt. Mit der Zeit haben sich Begräbnisriten verändert; gleich geblieben ist allerdings, dass es um die Verabschiedung der Verstorbenen, um deren Würdigung und nicht zuletzt um die Erinnerung an ein gemeinsames Leben geht.

Sandra Hannen-Fischer arbeitet als Begleiterin von Hinterbliebenen in einem Bestattungshaus in Düsseldorf. Sie hat jeden Tag mit Tod und Trauer zu tun, denn das gehört zu ihrem Beruf:

„Sicherlich hat sich das Bestattungsverhalten der Menschen in den letzten Jahrzehnten verändert. Der Anteil der Urnenbeisetzungen ist mittlerweile deutlich höher als klassische Beerdigungen im Sarg. Bei der Wahl der Grabstätte ist oft der Wunsch nach einer pflegeleichten Variante ausschlaggebend. Darum wird heute auch vielfach in Kolumbarien oder Begräbniswäldern beigesetzt. Unverändert ist jedoch die Bedeutung der Grabstätte als Anlaufpunkt für Gedenken und Erinnerung. Somit ist auch der Friedhof nach wie vor ein wichtiger Platz. Für mich ist ausschlaggebend, dass es einen frei zugänglichen Ort gibt, den Trauernde jederzeit aufsuchen können, wenn sie das Bedürfnis danach haben.

Der größte Teil meiner Arbeit findet zwischen Versterben und Beisetzung statt. Das Bild der Schleusenwärterin, die ein Boot bei der schwierigen Fahrt auf eine andere Ebene unterstützt, ist im übertragenen Sinn für meinen Beruf sehr passend. Ich begleite Hinterbliebene auf dem schwierigen Übergang von einer Lebensphase in eine andere. Die wenigen Tage zwischen Tod und Bestattung bewusst zu erleben und daran aktiv teilzuhaben, ist enorm wichtig für die Trauernden und wird als tragende, aber auch tröstende Erinnerung wahrgenommen. In dieser kurzen Zeit entsteht häufig eine intensive Beziehung, die von einem engen Vertrauensverhältnis geprägt ist.

Ich erlebe Menschen in einem Ausnahmezustand, der sich in facettenreichen Emotionen, wie etwa Trauer, Wut, Nervosität, Unsicherheit, Scham und manchmal sogar Heiterkeit widerspiegelt. Denn jeder hat eine andere Art, mit der Bewältigung des Verlusts eines Menschen umzugehen. Für die Angehörigen bin ich wie ein „Fels in der Brandung“, ob es um die Organisation der Bestattung geht, oder ob ich nur als Gesprächspartnerin zur Verfügung stehe: Hierbei immer die Ruhe zu bewahren, ist sehr wichtig.

Natürlich gibt es gelegentlich auch Momente, die persönliche Erinnerungen hervorrufen. Deswegen gilt es, professionelle Distanz zu wahren – schließlich bin ich diejenige, die den Überblick behalten und dafür sorgen muss, die Wünsche von Angehörigen und Verstorbenen möglichst zu erfüllen. Diese Balance zwischen Mitgefühl und Distanz zu finden, ist immer wieder eine der großen Herausforderungen meines Berufs.

Für die Angehörigen wünsche ich mir, dass sie mit der Zeit ihre Trauer verarbeiten können. Darum finde ich es gut, dass es bei uns verschiedene Nachsorgeangebote für den Umgang mit Trauer gibt.

Manchmal kann es dabei schon ein kleiner Schritt im Trauerprozess sein, dass wir über die Verstorbenen reden. Was für Menschen waren sie? Was haben sie gern gemacht? Was hat man gemeinsam erlebt? Auch in einer Trauerfeier lässt man das gemeinsame Leben noch einmal Revue passieren, beweint gemeinsam den Verlust, feiert aber auch die gemeinsam gelebte Zeit, und dazu gehört zum Glück häufig auch ein Lachen.

Als weiteren wichtigen Schritt im Trauerprozess erlebe ich die Verabschiedung von den Verstorbenen am Sarg. Bewusst zu sehen, wie der geliebte Mensch im Sarg liegt, vielleicht durch eine letzte Berührung zu fühlen, dass sich etwas verändert hat, hilft Trauernden, den Tod anzunehmen und die schmerzhafte Realität besser verarbeiten zu können. Auch wenn dies sicherlich ein schwieriger Weg sein mag, ist die Erleichterung der Angehörigen danach spürbar.

Vielen Menschen hilft auch der Glaube an Gott, den Tod leichter akzeptieren und verarbeiten zu können. Es ist ihnen ein großer Trost zu wissen, dass die Verstorbenen in Gottes Händen und an einem anderen Ort gut aufgehoben sind.

Ich mag meinen Beruf gerade wegen der zahlreichen Herausforderungen sehr. Zudem sind das kollegiale Miteinander, die Hilfsbereitschaft und der Austausch untereinander etwas Besonderes, da wir alle in einem nicht alltäglichen und emotional anspruchsvollen Bereich arbeiten.

Meine Beziehung zum Tod und zum Leben hat sich in meinen Berufsjahren verändert. Ich habe vor dem Tod keine Angst mehr. Für mich ist er ein Teil des Lebens, das ich nun umso mehr zu schätzen weiß.

Privat arbeite ich gern zum Ausgleich in meinem Garten. Ich finde, er ist ein sehr passendes Symbol vom Leben und Sterben: Blühen und Vergehen, jeder Herbst ein Abschied, jeder Frühling ein Neuanfang – ein ewiger Kreislauf. Ist doch tröstlich, oder?“

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