02/07/2024 0 Kommentare
Predigt über Matthäus 11,2-6 am 3. Advent
Predigt über Matthäus 11,2-6 am 3. Advent
# Predigten
Predigt über Matthäus 11,2-6 am 3. Advent
Liebe Gemeinde,
die Adventszeit - in der Abfolge der einzelnen Adventssonntage - macht auf den ersten Blick den Anschein, als laufe sie unbeirrbar auf das Weihnachtsfest zu.
Der Advent als Vorspann zu Weihnachten.
Wochen, die uns einstimmen sollen.
Einstimmen auf das, was wir alle von klein auf kennen: dass damals am Rande Bethlehems ein Kind geboren wurde – ein Kind, in dem wir den Sohn Gottes erkannt haben...den Heiland der Welt.
Alle Jahre wieder.
Immer wiederkehrend.
Umso erstaunlicher, dass für den heutigen dritten Advent ein Text vorgeschlagen worden ist, der im Blick auf diesen scheinbaren unbeirrbaren Lauf wie ein kleiner Stolperstein wirkt.
Eine Text, den wir hören können als ein „Stimmt das denn auch wirklich?“
„Wirklich kein Irrtum…das mit diesem Jesus?“
Ich lese aus dem Matthäusevangelium:
Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Da fragt einer, der es doch besser wissen müsste – nein: der es doch genau vor Augen haben sollte.
Denn der, der da fragt, ist kein anderer als Johannes der Täufer.
Derjenige, der Jesus selbst getauft hat. Dessen Aufgabe es war, diesem Einen den Weg zu bereiten.
Der, der – so erzählt es wenigstens der gleiche Matthäus – es erst meinte, als er zuerst sagte. Jesus gar nicht taufen zu können: er – ein einfacher Prediger – er solle den Sohn Gottes taufen?
Eigentlich müsste es Johannes ganz genau wissen!
Aber: er fragt.
Warum?
Nun wird erzählt, dass sich Johannes im Gefängnis befindet: vom König Herodes – einer Marionette der Römer - festgesetzt.
Ist das der Grund, dass da jemand, der den Tod vor Augen im Kerker sitzt, so fragt? In Ängsten gebunden?
Verständlich wäre das ja.
Doch: Es ist nicht allein seine persönliche Not, aus der der Täufer heraus fragt.
Es ist eine andere, größere Not, die dann - in dieser Reihenfolge - auch seine beinhaltet.
Es ist die Not, dass der Messias gekommen ist und dass sich die Verhältnisse noch kein bisschen verändert haben. Und diese unveränderten Verhältnisse zeigen sich nicht nur daran, dass korrupte Herrscher wie Herodes so jemanden wie Johannes einfach einkerkern können. Die Welt war insgesamt in einer Schieflage: Das gesamte Land im Würgegriff eines römischen Imperialismus...
Armut als Ausfluss einer zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit... Gewalt... Hunger, Krankheiten – der oft viel zu frühe Tod.
Eine Not, die der Evangelist Matthäus genauso in den Jahren nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 vor Augen hatte…so dass die Frage des Täufers für ihn noch genauso oder vielleicht noch viel mehr unter den Nägeln brannte.
Eine Not, die uns heute - wenn wir an unsere Zeit denken – schon längst die Luft zum Atmen nimmt.
Die Welt – wie sie damals war – provozierte den, der es eigentlich wusste, zu fragen:
Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?
Es ist also eine Frage, die zuerst eine bange, durch und durch sorgenvolle Frage ist. Eine, die dem bisherigen Wissen ins Wort fällt...den eruptiv aufbrechenden Schrecken, es könnte auch anders sein, in Worte fassend:
Bist Du es? Bist Du es auch wirklich? Sag es doch...Es hängt so viel davon ab!
Dann ist es auch eine Frage, die angefressen ist von dem, wie die Welt eben ist. Eine, die es leid ist, dass es noch so weitergeht – eine die bis zum Bersten von der Einsicht gefüllt ist, dass jeder weitere Tag für so viele nichts weiter als eine Katastrophe sein wird. Und die so eher in einer Mischung aus Angefochtenheit und Ungeduld daherkommt.
Gucken wir uns unsere Welt an, dann gibt es kein Argument, dass dieser Frage in irgendeiner Form seine Legitimität entziehen könnte.
Mehr noch: es wäre merkwürdig, wenn sie uns nicht in den Sinn kommen würde.
Die Not ist doch so unbeschreiblich!
So stellt nun Johannes diese Frage.
Stellvertretend!
Und so fragt kein Zweifler. Hier geht es nicht um Unglauben.
Solches Fragen ist vielmehr Ausdruck von Treue zum Glauben.
Weil so eine Frage von Gott noch etwas zutraut.
Noch Veränderung von IHM erwartet.
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Wenn wir uns nun der Antwort zuwenden, so ist sie auf den ersten Blick merkwürdig.
Der, der Klarheit schaffen könnte, antwortet eher ausweichend...nicht mit einem klaren – und so auch klärendem – „JA“.
Er verweist auf das, was geschehen ist – was er getan hat:
Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt
Warum antwortet Jesus so.
Warum sagt er nicht einfach „JA“?
Vielleicht ist es so, dass Jesus die Messianität – gut biblisch-jüdisch – an das bindet, was sich verändern soll - und nicht an seine Person.
Ein Messias – einfach so – so könnten wir lernen - ist nichts wert.
Es geht nicht um eine Lichtgestalt. Die Welt hat von denen schon zu viele gesehen…und wurde immer wieder auf das Bitterste enttäuscht.
Beim Messias geht es nicht um einen Personenkult, sondern um Veränderung und Befreiung.
So erweist sich die Messianität in der Veränderung der Verhältnisse. Dass er etwas tut – nachhaltig: im Zurechtrücken dessen, was sich jetzt immer noch in einer Schieflage befindet.
Darum antwortet Jesus nicht mit einem klaren „JA“?
Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt
Eine Möglichkeit, das einzuordnen, ist:
Dass also sein Kommen damals so zu verstehen ist, dass er in seinen Taten das Reich Gottes aufblitzen ließ...Gott in ihm uns ein Angeld – eine Anzahlung – für unsere geschundenen Hoffnungsversuche gegeben hat... und dass er effektiv das, was er begonnen hat, bei seinem Wiederkommen vollenden will und wird.
Die Taten - so Jesu Antwort - sprechen für ihn und - und das ist jetzt das Entscheidende: sie müssen noch für ihn sprechen.
Insofern ist die Frage des Johannes nicht abschließend beantwortet.
Sie markiert, dass da noch so vieles aussteht.
Und so werden wir automatisch - heute - an die Seite des Johannes des Täufers gestellt. Wir sind dann die, die seine Frage weiterhin zu stellen haben.
Und: dieses Fragen als Ausdruck der Hoffnung.
Wenn wir so nicht fragen würden, hätten wir alle Hoffnung verlernt.
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Zwei abschließende Bemerkungen:
Es ist interessant, worauf Jesus in seiner Antwort an Johannes verweist: abgesehen von der Totenauferweckung lenkt er seinen Blick auf das, was wir für uns als Dienst am Nächsten – Diakonie – und als Option für die Armen übersetzen können.
Es gibt eine alte rabbinische Weisheit, die sagt, dass der Messias dann kommt, wenn wir seinem Willen folgen. In dieser Weisheit wird ernst genommen, dass unser Tun nicht losgelöst vom Tun des Messias verstanden werden kann.
Unser Fragen, unsere Ungeduld zielt auf ein Entgegenarbeiten hin.
Es wäre interessant zu überlegen, was diese beiden Stichwörter „Diakonie“ und „Option für die Armen“ für unsere Gemeinde bedeuten könnten?
Im Blick auf Menschen in Not, im Blick auf Flüchtende…
…wie wir uns in unserer Gesellschaft engagieren für den Erhalt von Freiheit angesichts der vielfältigen rechtsradikalen Bestrebungen, all das Bunte und Diverse einzuschränken…
…wie wir uns an die Seite unserer jüdischen Geschwister stellen angesichts des Antisemitismus.
Es gibt vieles, wo wir dem Messias entgegenarbeiten können.
Ein letztes: nochmals die Frage, warum gerade dieser Text zum Advent.
Es liegt auf der Hand:
Er versinnbildlicht das, was Advent bedeutet: Erwartung.
Er bewahrt er uns vor einem rührseligen und ungebrochenen Verständnis von Weihnachten, das mehr folkloristisch als Hoffnung erweckend ist.
Er nimmt uns und unser Fragen, wie lange all die Not noch sein soll, schlicht ernst.
Er bestätigt uns so in der Ungeduld, dass der Messias doch bitte endlich kommen soll.
Und er rückt zurecht, worum es Weihnachten geht – so wie es Theodor W.Adorno und Max Horkheimer auf ihre unvergleichliche Art formuliert haben:
Nicht um die Konservierung der Vergangenheit, sondern um die Einlösung der vergangenen Hoffnung ist es zu tun.
Amen.
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