Predigt am Ostersonntag: Hannas Lied (1. Samuel 2) (31.3.2024)

Predigt am Ostersonntag: Hannas Lied (1. Samuel 2) (31.3.2024)

Predigt am Ostersonntag: Hannas Lied (1. Samuel 2) (31.3.2024)

# Predigten

Predigt am Ostersonntag: Hannas Lied (1. Samuel 2) (31.3.2024)

Liebe Gemeinde,

der für den heutigen Ostertag vorgeschlagene Predigttext ist der Hebräischen Bibel entnommen.

Und dort im 1.Samuelbuch finden wir ein Lied einer Frau.

Hanna ist ihr Name. Sie wird von den Erzählenden als eine Frau beschrieben, die keine Kinder bekommen konnte. Damals bedeutete das, dass sie wertlos für die Gesellschaft war: keine Kinder zu haben hieß automatisch auch keine Zukunft zu haben. Nach langer Zeit der Kinderlosigkeit und der erfahrenen Demütigung wird Hanna dann doch noch schwanger. So wie bei Sarah vorher und später bei Maria wird dabei von den biblischen Erzählern markiert, dass Hannas Schwangerschaft anders ist als gewohnt: sie ist von Gott gewollt – von Gott erst ermöglicht. Gott greift ein…und eröffnet Zukunft.

Und so bekommt Hanna ein Kind mit Namen Samuel, welches Hanna aus Dankbarkeit Gott weiht – ein Kind, das später ein großer Prophet werden sollte.

Und als Hanna dann – als es Zeit wurde – ihren Sohn dem Priester Elie übergibt, werden uns folgende Worte überliefert: 

Dann betete Hanna und sagte: Es frohlockt mein Herz in Gott, erhaben ist mein Horn in Gott. Mein Mund ist aufgetan gegen die, die mir feind sind, denn ich erfreue mich deiner Hilfe. Keine ist heilig wie Gott, ja keine außer dir. Keine ist ein Fels wie unser Gott.  Redet nicht so viel Hochtrabendes daher! Vorlautes kommt aus eurem Mund hervor. Ja, eine wissende Gottheit ist Gott, Schandtaten haben keinen Bestand. Die Bogen der Helden zerbrechen, und die Strauchelnden rüsten sich mit Macht. Die Satten müssen sich um Brot verdingen, und die Hungrigen kommen zur Ruhe. Sogar die Unfruchtbare gebiert siebenfach, und die Kinderreiche welkt dahin. Gott tötet und macht lebendig, führt hinab in die Unterwelt und herauf. Gott beraubt und bereichert, erniedrigt und erhöht, richtet Geringe aus dem Staub auf, erhebt Arme aus dem Müll, um sie an die Seite Edler zu setzen.  

Soweit Hanna’s Lied.

Die Frage ist nun, was dieses Lied mit Ostern und mit der Auferweckung Jesu zu tun hat…warum dieser Text heute vorgeschlagen ist?

Was ist daran „österlich“?  

Bei genauer Betrachtung trieft dieses Lied nur so von österlichen Themen:  

Erst einmal ist dieses Lied ein Ausdruck dafür, dass die Vorstellung, dass alles Leid, alle Demütigung, alle Zukunftslosigkeit und dass selbst der Tod nicht das letzte Wort hat, nicht erst mit Jesus in die Welt gekommen ist.

Dieses Lied ist ein Zeugnis dafür, dass Jesus selbst in einer Tradition großgeworden ist, die Gott mehr zutraut als all dem Lebenswidrigen und dem Tod.  

Diese vielleicht merkwürdigen Formulierungen - Gott tötet und macht lebendig, führt hinab in die Unterwelt und herauf. Gott beraubt und bereichert, erniedrigt und erhöht – wollen schlicht und einfach dieses Eine festhalten:  

Gott steht über allem – auch und gerade über dem Tod als dem Inbegriff des Lebensfeindlichen.  Und das heißt: all das Lebensfeindliche hat gegenüber Gott keine Chance.  

Gott ist nicht nur DERJENIGE, DER mitleidet…DER mitgeht… ER hat alle Macht.

Und das bedeutet: ER ist nicht ohnmächtig.

ER kann das Blatt zum Guten wenden.  

Dieses von Hanna besungene Bekenntnis bringt das zur Sprache, das wie ein roter Faden, von Anfang der biblischen Schriften an bis in das leere Grab reicht.

Gottes Lebensmacht wurde schon vor Jesus vertraut.

Das ist das eine.  

Das andere führt uns vor Augen, dass Jesu Auferweckung nicht eine exklusive Tat ist, die nur einem einzelnen gilt.  

Jesu Auferweckung ist ein stellvertretendes Zeichen. So wie es dann später der Apostel Paulus formuliert hat, dass der auferweckte Jesus am Ostermorgen der „Erstling“ ist.  

Und angesichts dessen hilft uns dieses Lied der Hanna die Osterbotschaft zu weiten…in seiner ganzen Tragweite er sehen  

Hören wir ihr Lied, hören wir von einer Frau, der alles genommen war: die Freude am Leben, ihre Würde, ihre Stimme – wo sie sich nur als Opfer erleben konnte.

Und all das gibt Ihr Gott zurück: die Freude am Leben – ihre Würde (was im Bibeltext mit diesem merkwürdigen Begriff „Horn“ umschrieben wird) – ihre Stimme.

Gott holt sie aus dem Opferdasein heraus: ER richtet sie auf…lässt sie aufstehen.  

Auferstehung und somit auch die gesamte Osterbotschaft hat eine über die einzelne Existenz hinausgehende Dimension.

Die biblische Hoffnung auf die Auferstehung der Toten hat eine unsere Welt revolutionierende Bedeutung: dass wirklich alles gut wird…für alle.  

Kein Leid mehr.

Keine Ungerechtigkeit mehr.

Keine Gewalt mehr.

Frieden – Shalom – für alle Kreatur.  

…und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein…  

…so wie es dann im letzten Buch so wundervoll formuliert worden ist.  

Und dabei hat die biblische Auferstehungshoffnung zuerst all die im Blick, die unter die Räder gekommen sind: all die Leidtragenden, all die Opfer kommen zu ihrem Recht…wie eben Hanna.  

Jesus ist in dem allen der Erstling. Er ist der, an dem wir all unsere Hoffnung festmachen können und dürfen.  


Noch einige, abschließende Gedanken zu Hanna:  

Hanna formuliert all ihre Worte als Frau.

Das ist alles andere als ein Zufall – und es ist alles andere als ein Zufall, dass Gott diese Frau aufrichtet. Denn unsere Menschheitsgeschichte ist ein grauenhaftes Zeugnis davon, dass Frauen als erstes zu Opfern werden. In einer von Männern dominierten Welt sind Frauen bis auf den heutigen Tag gefährdet…benachteiligt…Gewalt ausgesetzt.

Das war schon immer eine Schande für unsere Menschheit und das ist es auch noch heute.

Hanna steht da stellvertretend: als diejenige, die Leid ertragen musste.

Und Hanna singt dieses Lied auch stellvertretend.

Und auch die Zurückgewinnung ihrer Würde ist stellvertretend.

Eben als die, die von Gott ihre Würde zurückgeben worden ist…sie nicht mehr das ohnmächtige Opfer mehr ist  

Und so steht Hanna eigentlich mit den drei Frauen, von denen wir eben in der Lesung gehört haben (Markus 16,1-7), mit am leeren Grab – an diesem Ostermorgen…wie auch all die anderen Frauen, die unter die Räder gekommen und noch nicht wieder zu ihrem Recht gekommen sind.  

Und so ist es auch kein Wunder, dass es die Frauen am Grab sind, die als erste von der Auferweckung Jesu erfahren. Ihnen zuerst sagt es der Engel. Ihnen. Und die Frauen sind es, die das an die Freunde Jesu, die Männer, weitergeben sollen.  

Frauen bilden so letztlich eine Klammer um das, was Jesus am Ostermorgen widerfahren ist.  

Ostern ist die gute Nachricht für uns alle: den Frauen zuerst und dann den Männern.  

Amen.

 

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