02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum Sonntag Misericordias Domini
Predigt zum Sonntag Misericordias Domini
# Neuigkeiten aus Emmaus

Predigt zum Sonntag Misericordias Domini
Von Peter Andersen. Der heutige Sonntag am 26. April trägt den Namen „Misericordias Domini“: „Barmherzigkeit Gottes“. Und alle biblischen Texte, die diesem Sonntag zugeordnet worden sind, kreisen zur Verdeutlichung, was denn die Barmherzigkeit Gottes bedeuten könnte, um das Bild des „Hirten“.
Entsprechend ist der Psalm für diesen Sonntag der 23. Psalm, der – den meisten bekannt - mit den berühmten Worten „Der Herr ist mein Hirte“ beginnt.
Der barmherzige Gott – der gute Hirte.
Warum aber Gott als Hirte?
Die biblischen Texte sprechen von Gott in unterschiedlichen Bildern. Weil es anders gar nicht geht. Es sind sprachliche Versuche, von DEM, DEN man und frau gar nicht fassen kann, etwas aussagen zu können. Auch das Bild vom Hirten ist so ein Versuch – ohne den Anspruch, damit nur im Ansatz alles von Gott sagen zu können.
Und auch wenn anders als zu längst vergangenen Zeiten „Hirten“ heute für uns kaum noch real vorkommen, hat dieses alte Bild trotzdem eine besondere Kraft bewahrt, denn sonst wäre es nicht zu erklären, dass zum einem der 23. Psalm nach wie vor zu den bekanntesten Texten der Bibel zählt – und dass zum anderen das so alte Hirtenbild irgendwie doch selbsterklärend ist.
Der Hirte als Ausdruck dafür, behütet zu sein. Wo die tiefe Sehnsucht angerührt wird, dass da jemand um „mich“ sorgt – dass ich nicht ungeschützt durch das Leben gehen muss – dass jemand auf mich achtet – jemand, der es gut mit mir meint.
Dabei ist dieser 23. Psalm ja alles andere als einfach. Folgt doch dem „Der Herr ist mein Hirte...“ direkt die Aussage „...mir wird nichts mangeln.“
Ein Satz, der mir automatisch – gerade auch heute – vor Augen führt, dass mit etwas mangelt – etwas fehlt.
Ich weiß nicht wie es Ihnen/Euch geht.
Mir fehlen die direkten Kontakte. Das Miteinander. Die Ungezwungenheit. Die Nähe. Meine Kinder kann ich derzeit nicht einmal umarmen.
Ja. Nicht nur angesichts einer Pandemie wird mehr als deutlich, dass wir alle auf unterschiedliche Art und Weise – und darin auch verbunden – Mangelwesen sind: immer in der Gefahr, uns un-behaust zu fühlen/zu erleben.
Und trotzdem hänge ich an diesem ersten Satz...dass mir nichts mangeln wird. Und ich hänge nicht nur an ihm – ich erlebe ihn trotz meines erlebten Mangels als wahr.
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Dieser Satz ist für mich zu gleichen Teilen eine Erinnerung und ein Statement, ein trotzender Satz:
Erinnerung ist dieser Satz insofern, als dass er mich an eine biblische Episode verweist, die im zweiten Buch Mose zu finden ist.
Als das Volk Israel nach der Befreiung aus dem Sklavenhaus in Ägypten in der Wüste ist – endlich frei –, gehen bald die Vorräte aus. Doch Gott lässt SEIN Volk nicht in der wiedergewonnenen Freiheit verhungern. ER versorgt es mit dem berühmten Manna – wobei das Entscheidende ist, wie von dieser Versorgung erzählt wird:
Zuerst versuchen alle erst einmal so viel zu sammeln, dass – ganz im Hamstern-Modus – Vorräte angelegt werden können. Mit der Konsequenz, dass die Stärksten und Schnellsten viel hatten und andere, die Langsamen und Schwächeren, leer ausgingen. Niemand hatte auf Mose gehört, der genau davor gewarnt hatte – und es musste erst erlebt werden, dass das Hamstern nur zu einem schlechten Ergebnis führen konnte: am nächsten Morgen war alles verfault. Es stinkt eben im wahrsten Sinne des Wortes, wenn nur die Ellbogen und die Schnelligkeit zählen und andere darunter leiden.
Erst im zweiten Versuch, bei dem alle verstanden haben, dass der täglich Essbedarf ausreicht – das „täglich Brot“ –, haben/bekommen alle genug.
Niemand kommt zu kurz.
Niemand wird übersehen.
Niemand wird das Opfer derjenigen, die sich zu viel nehmen.
Mir wird nichts mangeln. Das ist also kein egoistischer, nur auf mich bezogener Satz. Das ist ein Satz, der immer auch und gerade die anderen im Blick hat.
Und genau darin ist dieser erste Satz dieses Psalms auch ein Statement – ein trotzender Satz in komplizierten Zeiten.
Wird nämlich in den biblischen Schriften auf der einen Seite das Bild vom „guten Hirten“ für Gott verwendet, so reden die biblischen ErzählerInnen auch sehr bewusst von den „schlechten Hirten“ und meinen damit die Herrschenden, die genau das Gegenteil von Gottes Handeln machen. Denn gerade die Herrschenden sind am Tun Gottes zu messen: sorgen sie für alle gleichermaßen? Setzen sie sich dafür ein, dass niemand herausfällt?
Wir erleben derzeit Wochen und Tage, in denen die Not dieser Erde an so vielen Stellen offenkundig wird. Wo ein Virus Wunden sichtbar und zugleich bestehende Wunden noch katastrophaler werden lässt: wo Menschen nicht nur um ihre Gesundheit sondern auch um ihre Existenz bangen müssen. Für Viele, gerade auch in den eh armen Teilen dieser Welt ist es jetzt schon eine Katastrophe.
Und in all dem erleben wir „Hirten“ in den unterschiedlichen Nationen: die einen, die versuchen, wirklich zum Wohle der ihnen Anvertrauten gut zu handeln – und selbst wenn Entscheidungen sich im Nachhinein als nicht gut erweisen, so ist doch der gute Wille erkennbar. Und es gibt andere, denen die eigenen Interessen näher liegen als die des Allgemeinwohls.
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Das ist ein Statement, das sich mit dem Zustand der Welt nicht zufrieden gibt. So wie insgesamt der ganze Psalm sich da einfügt und ein Gegenbild zu dem entwirft, was wir als Katastrophe globalen Ausmaßes gerade erleben.
Insofern entwirft dieser Psalm eine Vision, dass jeder Mensch behütet sein möge – im ganzheitlichen Sinn: kein Mangel, genug zum Leben. Und dass niemand mehr Angst haben muss.
Der eher – in der Übersetzung Luthers – komisch daherkommende Satz „...dein Stecken und Stab trösten mich“ zielt weniger auf Trost, sondern darauf, dass kein Grund mehr zur Furcht da ist. Klarer ins Deutsche übertragen heißt es in der „Bibel in gerechter Sprache“: „...dein Stab und deine Stütze lassen mich aufatmen“. Aus der Perspektive des Schafes – wenn wir die für einen kurzen Moment einnehmen – ergibt das einen Sinn: denn ein Schaf ist ja erst da Sicherheit, wenn es sich im unmittelbaren Bereich des Schäfers aufhält, der früher auf einen kleinen Stab gestützt da stand mit einem Hirtenstab in der anderen Hand. Und indem er wacht, ist er in der Lage, mit seinem Hirtenstab ein sich heranpirschendes wildes Tier wieder in die Flucht zu schlagen. Aus der Perspektive des Schafes bedeutet eine solche Nähe des Hirten, keine Angst haben zu müssen: „dein Stab und deine Stütze – sie lassen mich aufatmen.“
Endlich in Sicherheit.
Das ist alles eine sehnsüchtige Vision.
Es ist eine Vision, die wir in diesen Tagen mehr als nötig haben.
Als Ermutigung angesichts der vielen bedrückenden Bilder und der vielen schrecklichen, Besorgnis erregenden Meldungen über die wachsende Not der Menschen – hier bei uns und in den anderen Ländern dieser Welt.
Und als Erinnerung, dass in solchen Krisenzeiten das Allgemeinwohl, die Solidarität, die Mitmenschlichkeit im Vordergrund stehen muss.
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
In diesem Sinne ist allein dieser erste Vers des Psalms eine Erinnerung, die mir Geborgenheit gibt. Ein Bild Gottes, das mir Sicherheit und Trost gibt „im finsteren Tal“.
Gottes Barmherzigkeit ist Fürsorge – im wahrsten Sinne des Wortes.
Amen.
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