„Bleiben sie gesund!“ – Ein unglücklicher Imperativ.

„Bleiben sie gesund!“ – Ein unglücklicher Imperativ.

„Bleiben sie gesund!“ – Ein unglücklicher Imperativ.

# Neuigkeiten aus Emmaus

„Bleiben sie gesund!“ – Ein unglücklicher Imperativ.

Von Lars Schütt.


Von Anfang an hatte ich ein Störgefühl, wenn ich die Abschiedsfloskel „Bleiben Sie gesund!“ gehört habe. Ich spürte sogar, wie es mir schwer viel, sie überhaupt auszusprechen. Warum nur? Es ist doch ein freundlich gemeinter Wunsch. Ein Ausdruck der neuen Solidarität und Achtsamkeit, oder nicht? In vielen Fällen habe ich tatsächlich den Eindruck, dass mir jemand etwas Gutes wünscht. Aber in ebenso vielen Fällen klingt es wie eine Beschwörung, ein Mantra gegen die Angst vor dem Virus. „Bleiben sie gesund“ höre ich dann wie eine Aufforderung, mit der mein Gegenüber sich selbst schützen will. „Bleiben sie gesund, sonst...“ Das mag sich übertrieben anhören. Aber was ist, wenn derjenige, dem wir das sagen, chronisch krank ist, vielleicht sogar eine schlimme Diagnose hat? Mir erzählte letztens einer, dass diese Floskel für ihn jedes Mal eine Ohrfeige ist. Schon deswegen verbietet sich für mich dieser Satz.

 

Zudem steht hinter diesem Satz ein Verständnis von Gesundheit und Krankheit, das wenig hilfreich ist: Eine rigide Grenze zwischen gesund einerseits und krank andererseits zu ziehen führt nur zu Frust, Angst und Verzweiflung. Demgegenüber öffnet das Bild der beiden Pole von gesund und krank, zwischen denen wir uns bewegen, die Perspektive, Krankheit als etwas zum Leben Dazugehöriges zu akzeptieren. Es kann befreien vom Leistungsdruck „gesund“ zu sein und von dem verzweifelten Kampf, das Kranke zu besiegen.

 

„Bleiben Sie gesund“ passt für mich in die Denkweise, dass mein Leben nur wertvoll ist, wenn ich kerngesund bin. Das Störgefühl habe ich auch immer schon gehabt, wenn Menschen sagen „Gesundheit ist das Wichtigste!“. Ich kann diesen Satz total verstehen und mitfühlen. Ich habe längere Phasen Rückenschmerzen erlebt, ich habe einen Tinnitus und vor Jahren auch eine Angststörung. Mit all dem lebe ich gut, nein: sehr gut! Subjektiv bin ich ohne Beschwerden. Wenn ich hinschaue, sind die drei da, wie Tick, Trick und Track, die überlegen, was sie anstellen könnten. Sie gehören zu meinem Leben, haben aber keine Macht darüber.

 

Es ist nun mal so, das wir früher oder später immer krank werden. Zeitweise oder dauerhaft. Was hilft uns dann das Festhalten an diesem Gesundheitsmythos? Nix. Es macht den Frust nur schlimmer. Was aber hilft, ist eine Haltung der Akzeptanz, Zuversicht und Hoffnung. Das ist natürlich leicht dahingesagt, braucht aber Übung zu Pflege. Zuversicht ist aber auch ein Muskel, den man trainieren kann.


Deswegen bin ich dazu übergegangen, meinem Gegenüber das zu wünschen, was mir hilft: „Bleiben Sie guter Dinge!“ oder „Bleiben sie fröhlich!“ sage ich dann und ernte meistens anstelle der Sorgenfalten ein Lächeln.

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