Predigt für den 1. Sonntag nach Trinitatis

Predigt für den 1. Sonntag nach Trinitatis

Predigt für den 1. Sonntag nach Trinitatis

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Predigt für den 1. Sonntag nach Trinitatis

Diese Predigt hat Frau Jutta Hermann geschrieben. Sie ist Anwärterin für das Prädikantenamt in unserer Gemeinde, das heißt dass sie sich in der Ausbildung zum ehrenamtlichen Predigtdienst befindet.  

In der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) können ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitende auf Antrag des Presbyteriums nach landeskirchlichen Vorbereitungskursen ordiniert und in den Dienst der Prädikantin oder des Prädikanten berufen werden.  Die rheinische Kirche betont, dass neben dem Pfarramt, das hauptberuflich und nach Absolvierung eines theologischen Studiums, der wissenschaftlichen Prüfungen und des pfarramtlichen Vorbereitungsdienstes ausgeübt wird, auch Gemeindeglieder, die dazu nach dem Urteil der Gemeindeleitung befähigt sind und zugerüstet wurden, den Dienst an Wort und Sakrament und in der Seelsorge ausüben können.

Jutta Hermann ist im Bereich vorallem im Bezirk um die Christuskirche schon vielen Menschen gut bekannt, auch als ehemalige Presbyterin. Sie ist vielfältig engagiert und begleitet unter anderem Gottesdienste in zwei unserer Seniorenheime im Gemeindegebiet.


Liebe Leserin, lieber Leser!  Kennen Sie den `Trick vom Verschwinden der Leute?´ 

Der geht so: „Alle mal herhören! Große Sammelaktion“ …. Schon ist die Hälfte der Leute weg. “Wir rufen Sie auf für die Bedürftigen zu spenden!“  Da steht wieder ein Viertel auf und geht. „Wir machen es so: alle verkaufen alles und bringen den Erlös her. Wir, die Gemeindeleitung, teilt dann alles ein!“ Da sitzt nur noch einer in der Kirchenbank: der Küster mit der Sammelbüchse.

So was gibt´s nicht, denken Sie? Passen Sie mal auf: der Predigttext für heute steht in Apostelgeschichte 4,32-37

Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam.

Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte.  Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.

Zur Situation der Zeit, die im Buch der „Apostelgeschichte“, behandelt wird: Diese Schrift wird dem Arzt Lukas zu geordnet, der auch das gleichnamige Evangelium geschrieben hat, aber der wohl kein Jünger im engeren Kreis Jesu war. Sein Hintergrund war die damals großstädtische Kultur der hellenistischen, also griechischen und auch römischen Kultur. Dieser Lukas will mit seiner Darstellung die Identität der jüdisch-christlichen Gemeinden stärken und festigen. Er will zeigen, dass sich Gottes Heil in der Geschichte, besonders im Auftreten Jesu und in der Gemeinde ereignet. Das Heil in Jesus Christus, dem Gesalbten steht im Mittelpunkt seines Interesses und Erzählens. Für ihn ist klar: Die Königsherrschaft Gottes ist bereits wirksam. Die endgültige Heilszeit ragt seit Jesus in die Geschichte hinein.  Das ist der Hintergrund der ersten, seit dem Pfingstgeschehen entstandenen Gemeinden.

Wir gehen auch in diesem Jahr mit dem Kirchenjahr voran und diese Feste liegen bereits hinter uns: Karfreitag, Ostern, das Auferstehungsfest, Himmelfahrt, also die Heimkehr Jesu zum Vater und das Pfingstfest.

Wir haben in den vergangenen Wochen diese besondere Zeit im doppelten Sinne besonders erlebt: Keine gemeinsamen Andachten, keine Gottesdienste in unseren Kirchen, keine Osternacht. Kontaktbeschränkungen, als nicht die Familie und Freunde treffen, kein Ostereiersuchen für die Kleinen auf dem Spielplatz. Corona-Krise.

Allein zu Hause, nicht nur Kevin im Film, sondern wir alle. Solidarität war und ist gefragt. Heute und das war damals auch so.

Der auferstandene Jesus hält damals sein Versprechen und sendet den Heiligen Geist: Pfingsten ereignet sich und sprunghaft steigt die Gemeindegliederzahl. Und immer mehr Menschen hoffen auf die baldige Wiederkehr Jesu und die endgültige Aufrichtung der Herrschaft Gottes über die Welt. „Bald sind wir sowieso im Himmel.“ Das war die Hoffnung: Bald ist alles Beschwerliche vorbei und wir leben vollkommen in Gottes Reich.      Auf diesem Hintergrund muss man den Text lesen und verstehen. Aber es wäre zu einfach, wenn wir sagen würden: „Die Christen damals waren naiv. Seitdem sind gut 2000 Jahre vergangen: ER ist noch nicht wiedergekommen.“

Heute im Jahr 2020 alles zu verkaufen, das wäre doch sehr leichtsinnig. Wir müssen doch auf unserer Altersvorsorge achten. Doch diese Geschichte hat dennoch wichtige Aussagen für uns. Denn geteilt wurde ja bei uns auch in den letzten Wochen: Da wurden Lebensmittel für Andere eingekauft, telefoniert und gemailt, Gottesdienste und Gebete ins Netz gestellt. Es gab Danksagungen im Fernsehen für alle, die das öffentliche Leben, so gut es möglich war, aufrechterhalten haben. Und gespendet wurde auch, wir konnten in unserer Gemeinde schon etwas Not lindern ….. ja, geteilt wurde und wird bei uns auch.

Die Christen damals teilten vor allem auch eine Erwartung, eine Hoffnung, die Ihnen ganz klar machte, worauf es ankommt.

Wenn man in „normalen Zeiten“, also einer Zeit vor der Pandemie eine Umfrage gestartet hätte: Was erwarten Sie von der Kirche?  Was wären die Antworten gewesen: mehr politische Positionierung? Etwa zum Klimawandel oder zu Flüchtlingsfragen? Deutlichere Worte gegen jeglichen Macht-Missbrauch? Was erwarten wir von der Kirche oder auch unserer Gemeinde? Zeitgemäße Verkündigung?  Gendergerechte Sprache? Mehr Bewlichkeit?

Was erwarten Sie? 

Ohne Erwartung geht´s nicht. Ohne Hoffnung auf Zukunft können wir nicht leben. (Das merken wir besonders auch in diesen Zeiten, wo viele keine Ende von Corona, also kein Licht am Ende des Tunnels sehen …)

Mir fällt auf: die Apostel gaben Zeugnis von der Auferstehung Jesu. Und dabei halten sie sich an das Wesentliche. Ja, die Apostel hatten es hautnah miterlebt, sind dem Auferstandenen begegnet, haben mit Ihm gesprochen, gegessen, Ihn berührt und Seinen Auftrag vernommen. Sie konnten sagen: ich war dabei!

Aber sie berichteten nicht nur das Geschehen, so wie die Nachrichtensprecher, sondern sie verkündeten auch, was die Auferstehung bedeutet, für jeden Einzelnen.

Auferstehung bedeutet: der Tod hat keine Macht über uns, auch wenn wir sterben müssen. Neues Leben steht uns offen. Die gewaltige Kraft des Lebens Gottes, die Jesus aus dem Grab holte, gilt auch uns!

Die junge Gemeinde in Jerusalem setzte genau darauf – aus der Kraft Gottes zu leben. Ist das ein Teil unserer Erwartung?

Und noch etwas Wichtiges fällt mir auf: …große Gnade war bei ihnen allen!

Das wünsche ich mir auch sagen zu können: große Gnade ist bei uns, bei unserer Gemeinde. Gnade, ein so altes Wort, das ist Gunst Gottes, gelingendes Zusammenleben und Wohlergehen, Wachstum im Glauben, Freude an Gott und untereinander. Ohne Gnade geht es nicht!  Fehlt das, dann ist eine Gemeinde nur Organisation, ohne Verständnis füreinander ist sie nur eine fromm verwaltete Gruppe. Ohne dass der Einzelne gesehen wird, ist die Gemeinde die Summe der Kirchensteuerzahler.

Das bringt mich zu einem weiteren Punkt: Sie waren ein Herz und eine Seele. Nein, nicht so wie in dem gleichnamigen Bühnenstück mit Heinz Schubert in der Rolle des „Ekel Alfred“.  Es bedeutet, sie achteten aufeinander, sie schätzten sich wert. Sie sorgten füreinander. Ich denke, das haben wir auch in der Krise gelernt, auf den Nachbarn, die Schwachen zu achten, Rücksicht nehmen, füreinander da sein und wenn´s nur mal ein Anruf war: Wie geht es Dir? Kann ich etwas für dich tun? Hast du ein bestimmtes Gebetsanliegen? Man kann so viel für den Andern tun, ohne gleich alles zu verkaufen. Nicht als Appell, sondern von Herzen.

Doch ein Herz und eine Seele bedeutet nicht immer und überall einer Meinung zu sein, auch in der Gemeinde nicht. Ganz sicher gab es in Jerusalem auch Probleme und unterschiedliche Ansichten. Aber es geht darum solidarisch zu sein und die Not des anderen Menschen zu sehen.  Solidarität, ein Wort, das wir in der Krise immer wieder gehört haben. Es heißt: mit jemandem übereinstimmen und für ihn einstehen, gemeinsam verantwortlich zu sein und gegenseitig verpflichtet.  Für die Gemeinde damals war Vertrauen eine wichtige Sache, sie vertrauten den Aposteln, „die werden es schon richtig verteilen“.

Leider war das übrigens nicht bei allen so: Wenn Sie im Buch der Apostelgeschichte weiterlesen, werden Sie feststellen, dass es auch in der Urgemeinde Misstrauen und Betrug gab. Das wird nicht verschwiegen - und doch: der Zusammenhalt enorm.

Und dann wird da noch dieser Levit erwähnt, ein Mann vom Stamm Levi. Eigentlich heißt er Joseph, doch wegen einer besonderen Eigenschaft bekommt er den Beinamen Barnabas. Das bedeutet Sohn des Trostes, bzw. Tröster oder Ermahner.

Ich stelle mir vor, wie er aufmunternd, zuhörend, gut zu redend oder einfach schweigend, die Hand haltend bei den Menschen gewesen ist. Einer, der da ist, der aushält, der Rat weiß.  Das ist in jeder Krise wichtig, nicht nur auf sich schauen, sondern den Andern auch im Blick haben. Im Jahr 1966 schrieb eine Klassenkameradin in mein Poesiealbum folgenden Spruch:  Das sind die Starken im Land, die unter Tränen lachen, ihr eignes Leid vergessen und andere fröhlich machen.

In Zeiten der Not braucht es einen Barnabas, oder eine Barnaba, damals wie heute.

Bei der Betrachtung dieses Namens fiel mir noch etwas Wichtiges auf: der Name Tröster ist auch der, den wir dem Heiligen Geist geben. Er ist Gottes Trost überhaupt, er zeigt der Gemeinde damals und uns heute Gottes neu schaffende Kraft, sein erbarmendes Bewahren.

Die Erwartung des Reiches Gottes, die Wiederkunft Jesu, die Hoffnung der Auferstehung, all das bringt uns der Tröster in Zeiten der Not nahe. Der Levit Joseph war ein Sohn des Trostes, ein Sohn des Trösters. Das möchte ich auch sein: Tochter des Trostes, Botschafter des Heiligen Geistes, der Gnade Jesu und der Größe Gottes.

Vielleicht ist es doch nicht der `Trick vom Verschwinden´ der Leute, sondern der Ansporn zusammen zu stehen, wann und wo und in welcher Form auch immer.

Da stehen uns ja im digitalen Zeitalter unzählige Möglichkeiten zur Verfügung, von denen die Gemeinde in Jerusalem nicht mal träumen konnte. Nutzen wir sie!

Alle, die Christen geworden waren, waren ein Herz und eine Seele.

Möge das auch heute immer wieder das so sein. Und unser Haupt sei Christus. Jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

Ihre Jutta Hermann, Anwärterin für das Prädikantenamt

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