Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis

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Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis

Von Judith Uhrmeister. 

Psalm 121 oder „Ich sehe was, was du nicht siehst“

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.

Woher kommt mir Hilfe?

Meine Hilfe kommt vom HERRN,

der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,

und der dich behütet, schläft nicht.

Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.

Der HERR behütet dich;

der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

dass dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

Der HERR behüte dich vor allem Übel,

er behüte deine Seele.

Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!

 

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.

Woher kommt mir Hilfe?

 

Oder wie mein vierjähriger Gesprächspartner sagt:

„Schau mal, Judith, da oben am Himmel. Es sind heute keine Wolke und ich kann die ganzen Toten trotzdem nicht sehen. Du hast doch gesagt, dass die Toten alle im Himmel sind. Wo sind sie denn heute?“ 

Er sieht mich erwartungsvoll an. 

„Hm“, sage ich, um mir Zeit zu verschaffen.

Parallel dazu in meinem Kopf: Aufgeregtes Stimmengewirr.

Am lautesten schreit die Theologin in mir: „Himmel! Ich schlage in Gedanken mein Examensfachwissen zum Thema „Verständnis des Himmels im christlichen Kontext seit Beginn des Christentums“ auf. Ich habe schließlich studiert, da müsste man ja Fragen dieser Art leicht beantworten können. Himmel ist...“

„Sag mal, spinnst du,“ meldet sich die Pädagogin in mir. „Glaubst du wirklich, dass ein vierjähriger irgendetwas mit deinem theologischen Geschwafel anfangen kann?“

"Eben“, meldet sich die Theologin wieder, „dann muss er das richtige Verständnis vom Himmel eben noch lernen“.

„Wie wäre es denn mit der Wahrheit!“, sagt die Ehrliche in mir.

„Welche Wahrheit?“, fragen die beiden anderen.

„DASS DU ES NICHT WEIßT!“ schreien sie im Chor.

Ich hole also tief Luft und sage zu meinem vierjährigen Gegenüber: „Ich kann dir nicht sicher sagen, wo die Toten sind und auch nicht. Aber ich hoffe, dass sie bei Gott im Himmel sind. Ich glaube, dass Gott und sein Himmel und die Toten da so anders aussehen, dass wir es mit unseren Menschenaugen nicht immer gleich sehen können.“

Er überlegt und nickt.

Wir schauen weiter in den Himmel.

 

Fragen, die alles ins Wanken bringen

 

„Wer nicht fragt, bleibt dumm.“, heißt es im Jingel der Sesamstraße.

Und ich finde, das stimmt.

 

Allerdings gibt es Fragen, die unser Kartenhaus, unsere Gedankengerüste, alles, was wir uns an Glaubenssicherheit aufgebaut haben, ganz gehörig ins Wanken bringen.

Wenn Kinder, aber natürlich auch wenn Erwachsene fragen, dann kann mit einer Frage unter Umständen vieles, manchmal sogar das ganze Leben in Frage stehen.

 

Kinder wollen vor allem verstehen, was sie sehen, oder eben was sie nicht sehen. 

Wieso sehen Menschen eigentlich unterschiedlich aus?

Wieso seid ihr geschieden?

Wo kommen die Kinder her?

Warum streitet ihr euch, obwohl man das nicht soll?

Wo ist Gott, wenn man ihn nicht sehen kann?

 

Wir Erwachsene haben manchmal aufgehört, zu fragen. Vielleicht, weil wir in unserem Leben schon manches Mal erlebt haben, dass es auf viele Fragen keine oder zumindest keine einfachen, eindeutigen Antworten gibt.

 

Fragen haben die Kraft, unsere Welt und all das, woran wir glauben, in Frage zu stellen. Besonders, weil es beim Glauben auch darum geht, etwas zu sehen, das man auf den ersten Blick nicht sehen kann. Ein Ausweg scheint dann zu sein, den Fragen auszuweichen, oder vorschnelle Antworten zu finden. Das weckt aber bei unserem Gegenüber eher Misstrauen als Vertrauen. 

Wenn man eine Frage hat, besonders in Glaubensdingen und die wird nicht ernst genommen oder mit irgendeiner schlechten Antwort abgetan, dann ist das äußerst frustrierend und kann einen unter Umständen, vom Glauben abbringen.

 

Und deshalb ist es gut, dass es Psalm 121 gibt. Ein altes Gebet, das Menschen seit vielen Jahrhunderten beten. Ich lese Psalm 121 als Glaubensgespräch zwischen zwei Menschen, die versuchen, miteinander den Himmel zu sehen.

 

Der eine hat ernsthafte Zweifel und fragt:

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.

Woher kommt mir Hilfe?“

 

Oder in meinen Worten: Ich schaue zum Himmel, wo ist denn jetzt dein Gott, der dir angeblich hilft?

 

Die andere antwortet ganz persönlich:

„Meine Hilfe kommt vom Herrn,

der Himmel und Erde gemacht hat.“

 

In meinen Worten: Also, ich kann nicht für alle sprechen, aber für mich hat Gott Himmel und Erde geschaffen. Ich erkenne ihn darin. Ich erlebe, dass er für mich da ist.

 

Der eine fragt weiter:

„Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,

und der dich behütet, schläft nicht.“

 

Das kann ich gar nicht glauben. Wie kann das sein, dass einer immer da ist und dort und überall und nie schlafen muss. Was ist das für ein Wesen?

 

Die eine sagt:

„Siehe, der Hüter Israels

schläft noch schlummert nicht.“

 

Oder: Ja, ich erlebe das so. Ich erlebe Gott als wach und aufmerksam. Ich kann es dir nicht genau erklären, aber ich vertraue ihm. Und anstatt auf den anderen einzureden und ihn davon überzeugen zu wollen, das auch zu glauben,

wünscht sie ihm:

 

„Der Herr behütet dich;

der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

dass dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

Der Herr behüte dich vor allem Übel,

er behüte deine Seele.

Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang

von nun an bis in Ewigkeit!“

 

Keine endgültige Antwort, aber eine gemeinsame Sicht

Fragen hilft, auch wenn es manchmal keinen klaren Antworten gibt. Schon gar nicht wenn es um Gott und den Himmel geht.

„Traut euch!“, höre ich Psalm 121 sagen. „Traut euch, eure Fragen zu stellen, auch wenn sie erstmal alles ins Wanken bringen. Seid ehrlich zu euch selbst und zu anderen, dann könnt ihr etwas erleben, das trägt: Ein Gespräch, bei dem ein gemeinsamer Blick entsteht, mit dem man vielleicht sogar für einen Moment etwas vom Himmel sehen kann.“

Übrigens: Mein kleiner vierjähriger Gesprächspartner hat unser Gespräch folgendermaßen beendet:  „Vielleicht hat der Gott heute ja einfach woanders zu tun. Und die ganzen Toten hat er auf die Wolken gesetzt und sie einfach mitgenommen in den Himmel auf die andere Seite der Erdkugel.“ Dann ist er abgezogen und hat Himmel gespielt.

 

Liebe Leserin, lieber Leser für Dich gilt das natürlich auch:

„Der Herr behütet dich;

der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

dass dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

Der Herr behüte dich vor allem Übel,

er behüte deine Seele.

Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang

von nun an bis in Ewigkeit!“

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