02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum 2. Weihnachtsfeiertag: Matthäus 1,18-25
Predigt zum 2. Weihnachtsfeiertag: Matthäus 1,18-25
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Predigt zum 2. Weihnachtsfeiertag: Matthäus 1,18-25
18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. 19 Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen. 20 Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. 21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 22 Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. 24Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25 Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ist es also doch eine Jungfrauengeburt? Und geht es doch um eine „unbefleckte Empfängnis“, wie uns manche kirchliche Tradition nach-biblisch nahebringen möchte?
Nein - darum geht es im eigentlichen Sinne nicht. Denn all diese Interpretationsmuster verfehlen das, was Matthäus, der Geschichtenerzähler, eigentlich zum Ausdruck bringen wollte.
Direkt vor unserem Predigttext an diesem 2. Weihnachtags beginnt Matthäus nämlich ganz bewusst mit dem Stammbaum Jesu – beginnend bei Abraham. Siebzehn lange Verse wird da (siehe den Text im Anschluss an diese Predigt) immer im gleichen Schema aufgezählt, wie auf eine Generation die nächste folgte: Abraham zeugte Isaak – Isaak zeugte Jakob…und so weiter – bis Josef.
Und genau dieser so spröde Stammbaum ist der Schlüssel zum Verständnis des heutigen Predigttextes.
Im Stammbaum wird quasi auf die Größe einer Briefmarke komprimiert der Gang der Generationenfolge des Volkes Israel beschrieben. Und darin verbirgt sich die von Menschen gemachte Geschichte – und um es genauer zu sagen: die von Männern gemacht Geschichte.
In diesen 17 Versen – gucken wir genauer hin – ist die Geschichte von vielen hundert Jahren eingebettet.
Es ist eine Geschichte voller Hoffnung und Aufbrüche – und zugleich auch eine Geschichte voller Gewalt und Niederlagen. Es ist eine Geschichte, die stellvertretend für die gesamte Menschheitsgeschichte immer auch das „Seufzen der Kreatur“ – wie es Paulus einmal formuliert hat – widerspiegelt. Das Seufzen angesichts der Not und zugleich die Sehnsucht auf Befreiung – die Sehnsucht, dass doch einer kommen möge, der endlich das bewerkstelligt, was ein Psalmist so unvergleichlich in Worte gefasst hat: dass sich hier auf Erden für alle Gerechtigkeit und Frieden küssen werden.
Und genau da bekommt unser Predigttext eine besondere Bedeutung. Denn diese von Menschen gemachte – gezeugte – Geschichte bekommt an der Stelle von Josef einen Riss. Die monoton klingende Abfolge „ER zeugte ihn – und der wiederum zeugte einen anderen“ bricht nach Josef ab.
Warum?
Soll wirklich Befreiung kommen – soll es nicht nur ein kurzes Strohfeuer sein, muss diese Abfolge auch abbrechen – wenigstens für diesen einen, der alles anders machen soll. Es muss deutlich markiert werden, dass der Befreier – der Messias – eben nicht einer unter vielen ist: sondern eben der EINE.
Doch wie sagt man das? Wie kann man das erzählen?
Matthäus – einer der biblischen Erzähler – tut es eben in seiner Art und Weise. Die vom Heiligen Geist erzeugte Schwangerschaft ist erst einmal nichts anderes als ein sprachlicher und darin auch unvollkommener Versuch, eben nur dieses eine zum Ausdruck zu bringen: DER, DER da kommen soll, ist anders. Es wird keiner in einer ellenlangen Generationslinie geboren, der als Hoffnungsträger erst gefeiert wird und dann doch letztlich nur scheitern kann – aus welchen Gründen auch immer. DER jetzt geboren wird, ist vielmehr einer, der GOTT treu bleiben kann – bis zum letzten Atemzug. Geschichte wiederholt sich nicht einfach – sie wird neu geboren.
Es ist also ein von Gott gewollter RESET im gleichen Setting.
Denn das ist vielleicht auch die höchste Kunst des Erzählens von Matthäus: dass er auf eine so wunderbare Art und Weise an der Geschichte Gottes mit Israel festhält – denn das markiert ja der mit Abraham beginnende Stammbaum auch – und dass er die Geburt Jesu genau da hineinerzählt.
Und dabei offenbart unser Predigttext – quasi flankierend – noch mehr.
In dem Rahmen, der in knappen Worten – ganz anders als Lukas – dann von der Geburt Jesu berichtet, steht Josef im Mittelpunkt.
Und da geht es nicht nur darum, dass Josef am Ende Jesus offiziell in seinen Stammbaum auf Geheiß des Engels re-integriert. Es ist nicht nur eine spannende Geschichte wie ein Mann an dieser Stelle zu seiner neuen Rolle findet bzw. überhaupt seinen Platz in dieser Geschichte erhält.
Es ist viel mehr und beschreibt das menschliche Zutun zur göttlichen Intervention:
Josef, der in den Augen des Matthäus für die Menschen und genauer für die von Männern gezeugten Geschichte steht, macht Platz. Er gibt Gott für SEIN Anliegen Raum.
Effektiv erweist sich Josef hier als der „neue Mann“, der verstanden hat, dass es nicht so weitergehen kann – dass etwas passieren muss – und der sich dieser Veränderung / dieser Intervention Gottes nicht entzieht und der dem nichts in den Weg zu stellen versucht. Der so auf Macht verzichtet.
Aus dieser Perspektive betrachtet ist hier auch eine Emanzipationsgeschichte nachgezeichnet: die Emanzipation eines Mannes von der männlichen Gewaltgeschichte.
Denken wir an Weihnachten sind in unserer Tradition immer das Kind und Maria in Vordergrund gerückt – Josef steht im Hintergrund. Der Mann der Maria hat eher eine Statistenrolle.
Nehmen wir Matthäus ernst, ist er alles andere als ein Statist. Josef ist vielmehr ein Vorbild, weil er nicht nur Raum gibt, sondern – wie dann auch in den weiteren Kapiteln zu lesen ist – alles tut, um beizutragen, diesen Raum zu schützen. Ein Mann, der verstanden hat, was Gott dieser Welt schenken will: Befreiung.
Jungfrauengeburt? Unbefleckte Empfängnis?
Das sind Themen, die – wenn wir sie nicht schlicht als sprachliche Erzählversuche wahrnehmen, dass die von Männern gemachte Geschichte unterbrochen werden muss – nur ablenken. Es sind Konstrukte, Kopfgeburten von vielen Generationen männlicher Theologen, die von Frauen- und Leibfeindlichkeit geprägt Angst hatten. Weil sie vielleicht erahnten, dass es gerade auch um sie geht – es sind Konstrukte, die das Revolutionäre dieser Weihnachtsgeschichte verdecken und letztlich banalisieren.
Ich versuche mir also Matthäus vorzustellen: wie er vor langer Zeit seine Version von Jesu Wirken aufgeschrieben hat. Wie er vielleicht – fast schelmisch - gelächelt hat über diesen Anfang seiner Geschichte: dass Weihnachten auch damit begonnen hat, dass ein Mann auf Macht verzichtet hat – wie Josef sich Gott unterordnet.
Und so ist Weihnachten Erinnerung daran und zugleich ein Hinweis darauf, dass Frieden und Gerechtigkeit beinhalten, dass alle Männer das verstanden haben müssen.
Amen.
Matthäus 1,1-17
1 Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams. 2 Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda und seine Brüder. 3 Juda zeugte Perez und Serach mit der Tamar. Perez zeugte Hezron. Hezron zeugte Ram. 4 Ram zeugte Amminadab. Amminadab zeugte Nachschon. Nachschon zeugte Salmon. 5Salmon zeugte Boas mit der Rahab. Boas zeugte Obed mit der Rut. Obed zeugte Isai. 6 Isai zeugte den König David. David zeugte Salomo mit der Frau des Uria. 7 Salomo zeugte Rehabeam. Rehabeam zeugte Abija. Abija zeugte Asa. 8 Asa zeugte Joschafat. Joschafat zeugte Joram. Joram zeugte Usija. 9 Usija zeugte Jotam. Jotam zeugte Ahas. Ahas zeugte Hiskia. 10 Hiskia zeugte Manasse. Manasse zeugte Amon. Amon zeugte Josia. 11 Josia zeugte Jojachin und seine Brüder um die Zeit der babylonischen Gefangenschaft. 12 Nach der babylonischen Gefangenschaft zeugte Jojachin Schealtiël. Schealtiël zeugte Serubbabel. 13 Serubbabel zeugte Abihud. Abihud zeugte Eljakim. Eljakim zeugte Asor. 14 Asor zeugte Zadok. Zadok zeugte Achim. Achim zeugte Eliud. 15 Eliud zeugte Eleasar. Eleasar zeugte Mattan. Mattan zeugte Jakob. 16Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus. 17 Alle Glieder von Abraham bis zu David sind vierzehn Glieder. Von David bis zur babylonischen Gefangenschaft sind vierzehn Glieder. Von der babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus sind vierzehn Glieder.
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