02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum 1. Sonntag nach Weihnachten: Matthäus 2,13-23
Predigt zum 1. Sonntag nach Weihnachten: Matthäus 2,13-23
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Predigt zum 1. Sonntag nach Weihnachten: Matthäus 2,13-23
13Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. 14Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hos 11,1): »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«16Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jer 31,15): 18»In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.« 19Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. 21Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land 23und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
das ist ein Text, in dem es um Macht geht. Und um Macht über andere zu erhalten – um Macht zu erlangen, tun Menschen alles. Das ist eine Menschheitserfahrung. Damals – heute.
Ethik - Grenzen, die nicht überschritten werden – eine Art Konvention, die dafür da ist, den Gebrauch der Mittel zu limitieren: all das scheint es dann nicht zu geben.
Das wissen wir nur zu gut.
Und selbst da, wo es auf den ersten Blick unblutig geschieht, werden doch alle Register gezogen: ein amerikanischer Präsident, gegen den – wenn er sein Amt dann im Januar endlich abgeben muss – etliche Verfahren laufen, lügt so oft, dass man es schon gar nicht mehr zählen kann. Und indem er nach wie vor behauptet, dass sein politischer Gegner nur aufgrund von Betrug die Wahl gewonnen habe, macht er weit mehr als die Unwahrheit zu sagen. Er zersetzt mit sehendem Auge das Vertrauen in einen Staat – er spaltet – und mit jeder Lüge vergiftet er ein ganzes Land immer mehr.
Warum? Weil es um Macht geht.
Er ist nicht der einzige Regierungschef, der alles tut, um Macht zu erhalten. Es ist – Gott sei es geklagt – nur eine Spielart im Kampf um die Macht.
Denn es gibt keinen Bereich, in dem es nicht diese Kämpfe um Macht gäbe. Auch im kirchlichen Kontext ist die Machtfrage immer wieder Realität. Das kann nicht nur in den Geschichtsbüchern anhand unzähliger Beispiele nachgelesen werden. Auch und gerade beim Thema Missbrauch geht es am Ende um das Thema Macht.
Matthäus, der Evangelist, erzählt nun direkt nach der Geburt Jesu auch vom Kampf um die Macht. Er erzählt von Herodes, der alles – aber auch alles – macht, um die Bedrohung seiner Macht zu unterbinden. So schreckt er noch nicht einmal vor einem Massaker an neugeborenen Kindern zurück. Und wir wissen, dass er nicht der Einzige in unserer Menschheitsgeschichte gewesen ist, der sogar so weit gegangen ist. Und selbst der Tod des Herodes bietet da keine Perspektive. Die Notiz, dass Josef dem Nachfolger des Königs genauso fürchtet wie letztlich Herodes selbst, gibt zu verstehen, dass es sich beim Machterhalt nicht um ein personelles, sondern um ein strukturelles Problem handelt.
Macht ist mächtig.
Und wir wissen letztlich auch, wie unser gesamtes Leben von der Machtfrage durchzogen ist – wie genetisch verankert.
Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist seit Menschengedenken ein Schauplatz dieses Kampfes. In jeder Beziehung ist es ein Thema. Und wer behauptet, von der Machtfrage nicht betroffen zu sein, kann entweder gut verdrängen oder redet sich die Welt schön. Und kann grundsätzlich gesagt werden, dass es natürlich beim Thema „Macht“ um einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang geht, lehrt uns die Geschichte, dass eben gerade Vernunft oder Umsicht viel zu oft nicht anzutreffen sind. Macht verändert Menschen.
Und lässt viel zu viele auch über Leichen gehen.
Und so ist es kein Wunder, dass Jesus damit gleich zu Beginn konfrontiert wird.
Vom Ende des Evangeliums wird noch offensichtlicher, warum das so ist. Denn in der biblischen Logik ist die Frage nach der Macht immer auch die Frage nach Gott bzw. die Frage wer wirklich das letzte Wort hat.
Herodes ging es um seine Macht – nicht um SEINE: es ging ihm nicht um Gott.
Und Jesus war für ihn – wenn er denn wirklich der Messias sein sollte – gefährlicher als jeder andere politische Gegner. Denn der Messias würde die Frage nach der Macht ganz anders in seinem Leben beantworten: dass nämlich allein Gott DERJENIGE ist, dem zu dienen sei. Der messianische Umgang mit der Macht würde Leute wie Herodes entlarven und auch entzaubern. Der messianische Umgang mit der Macht würde die Humanität – die Menschenliebe Gottes rehabilitieren und zum einzigen Standard in dieser Welt aufrichten. Allein dadurch, dass der Messias dies alles auch ernsthaft leben würde: Gott und SEINER Weisung treu. Er würde das Geschäft der Mächtigen mächtig versauen.
Der Messias konnte nur der Staatsfeind No.1. sein, den es zu vernichten galt.
Und konnte Jesus als Neugeborener dem Herodes noch entrinnen, so zeigt sein Tod über dreißig Jahre später, dass sein konsequenter Weg ihn am Ende nur in eine tödliche Konfrontation bringen konnte – mit den Mächtigen, die wie Rom damals ganze Länder unterwarfen, auspressten – um die eigene Macht zu sichern und zu mehren.
Insofern ist diese Geschichte der Bedrohung und Flucht nach Ägypten so etwas wie die Ouvertüre einer langen Konfrontation – die dann am Kreuz endet.
Schon am Anfang ist das Ende implantiert.
Eine sehr nüchterne Geschichte ist das.
Und gleichzeitig ist diese Geschichte voller Verheißung.
Matthäus markiert das durch die Rolle des Engels, der – auf der Erzählebene – dafür sorgt, dass Jesus mit seiner Familie unbeschadet durch all diese Wirren hindurchkommt. Der Engel steht stellvertretend dafür, dass Gott in all dem SEIN Wörtchen mitreden will.
Dem Messias bleibt nichts erspart schon kurz nach seiner Geburt - und ihm wird auch im weiteren Leben nichts erspart bleiben. Am Ende aber wird Gott allein das letzte Wort haben. Das wird am Ende des Evangeliums durch die Ostererzählung in Worte gefasst.
So ist gerade Weihnachten keine romantische Angelegenheit. Es wird nichts beschönigt oder verharmlost. Und es wird etwas verheißen.
Weihnachten ist so verstanden ganz ausdrücklich das Fest der Menschlichkeit. Es ist das Fest, das unsere Hoffnung groß machen will, dass all die Machtkämpfe in dieser Welt ein Ende haben werden. Dass es einmal so sein wird, dass es nicht mehr um Macht über andere gehen wird. Dass niemand mehr auf Kosten anderer die eigene Macht durchsetzen wird. Und vor allem, dass es keine Opfer mehr geben wird.
Weihnachten ist das Fest der Humanität.
Amen.
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