Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten

Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten

Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten

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Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten

Liebe Leserin, lieber Leser,

in den vergangenen Jahren haben wir das Lied „Die Weisen sind gegangen“ regelmäßig zu dieser Zeit - nach Weihnachten – gesungen. Gerade auch weil wir aktuell hier in den Gottesdiensten nicht gemeinsam singen können, möchte ich dieses Lied in den Mittelpunkt der Predigt stellen. 

Denn dieses Lied ist nicht nur – so wie ich finde – von der Melodie her ein wirklich schönes Lied – es ist auch textlich mehr als nachdenkenswert:

Die Weisen sind gegangen. Der Schall verklang, der Schein verging, der Alltag hat in jedem Ding nun wieder angefangen.

So fängt dieses Lied an. 

Anders als noch in den Vorjahren war dies ein ganz anderes Weihnachten. In unserer Gemeinde keine Präsenzgottesdienste. Viele haben im kleinsten Kreis nur gefeiert – oder allein. Wo uns die Einschränkung der Kontakte eh beutelt, spitzte sich das jetzt über die Feiertage noch zu. 

Und so ist Weihnachten – auch wenn wir uns kirchenkalendarisch immer noch in der Weihnachtszeit befinden - auf eine besondere Art und Weise an uns vorbeigezogen: der Schall war verhaltener zu hören – der Schein war nur aus der Distanz zu erkennen – und der Alltag ist wieder da.

Umso wichtiger daher, dass dieses Lied uns an die Hand nimmt – und uns ganz bewusst in den Alltag hinein begleitet. Fast als wäre es genau für diese Zeit geschrieben.

Denn wieder im Alltag zu stehen/stehen zu müssen, ist Ausdruck unserer Existenz als Christenmenschen - in einen Alltag, der sich aktuell nicht nur von den Temperaturen her kälter als sonst anfühlt.

Davon spricht letztlich auch die zweite Strophe:

Der Wanderstern verglühte, kein Engel spricht, kein Schäfer rennt, und niemand beugt sich und erkennt die Größe und die Güte.

Alle sind weg. 

Alles nur ein Strohfeuer – ohne eine Wirkung, eine Bedeutung?

War es das schon?

Nein.

Denn die in dieser Strophe verpackte Einsicht ist eine andere:

Die Geburt Jesu hat sich wirklich äußerlich durch Nichts von anderen Geburten unterschieden. Dieser theologisch so schwere Satz, dass „Gott Mensch geworden ist in diesem Kind“, gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit. 

Glaubwürdigkeit insofern, als dass es von Gott wirklich ernst gemeint ist.

Der Gottessohn hat sich bei uns eingereiht: ein menschliches Wesen aus Fleisch und Blut. Verletzlich – hilfsbedürftig – zart: so wie jeder Mensch.

Äußerlich durch nichts erkennbar als Gottes Sohn.

Entsprechend fragt die 3. Strophe:

Wie lässt sich das vereinen: der Stern war da, der Engel rief, der Schäfer mit den Weisen lief und kniete vor dem Kleinen.

Diese dritte Strophe fragt schon ganz richtig: „Wie lasst sich das vereinen?“

Erst – in einem kleinen Zeitfenster –  die Beachtung und dann jetzt nichts mehr.

Wir leben ja in einer Zeit, in der Öffentlichkeitsarbeit einen großen Stellenwert hat. Und das sicherlich auch aus gutem Grund. Hilfsorganisationen – wie „Ärzte ohne Grenzen“ oder „Brot für die Welt“ brauchen das, damit sie Gelder für diejenigen sammeln können, die in Not sind. Sie müssen auf die Not anderer aufmerksam machen. Und nicht erst die Pandemie hat gezeigt, wie eben eine Öffentlichkeitsarbeit auch für uns als Gemeinde ist: gesehen zu werden. 

Gottes Öffentlichkeitsarbeit wäre unter heutigen Gesichtspunkten heute wohl vollkommen durchgefallen: die Geburt passierte mitten in der Nacht – wo die meisten schliefen.

Die ersten Zeugen waren Hirten, die damals gesellschaftlich alles andere als glaubwürdige Neuigkeiten-Erzähler waren. Ihre Geschichten wurden als „Gerede“ abgetan. Sie waren vor Gericht noch nicht einmal als Zeugen zugelassen.

Und die Weisen – die ja keine Könige waren – kamen von weit her und verschwanden dann auch wieder in ihre jeweiligen fernen Heimaten, in denen der Glaube an den Gott Israels – wenn überhaupt - nur eine marginale Bedeutung hatte.

Ungeschickter – unter heutigen PR-Gesichtspunkten – hätte es Gott nicht machen können.

ER hat es aber genauso gemacht.

Gottes Plan unterwirft sich nicht unseren Gesetzmäßigkeiten.

Gott macht sich nicht abhängig von irgendwelchen Strategien, die wir brauchen.

Gott setzt sich durch – auf SEINE Art und Weise: weil ER es so will.

Das ist ein großer Trost. 

Das „Wunder der Weihnacht“ ist eben trotzdem das „Wunder der Weihnacht“ – auch wenn alles am Rand geschieht – ohne Scheinwerferlicht – ohne Weltöffentlichkeit.

Auch sie sind nicht geblieben, die beiden mit dem kleinen Kind. Ob sie schon an der Grenze sind, geflüchtet und vertrieben?

Entsprechend gibt diese Strophe gibt Gottessohn die Konturen, auf die Gott selbst wert gelegt hat: keine Privilegien. Soll er der Messias der Welt sein, um sie zu retten, dann muss er auch wissen, warum.

Der Messias hat daher ganz unten angefangen.

So bleibt ihm auch nicht erspart, direkt nach der Geburt ein Flüchtlingskind zu sein.

In jeder Hinsicht ist dieses Lied extrem aktuell. Die Erinnerung daran, dass Jesus zusammen mit seinen Eltern auf der Flucht war, zeigt uns, wie nah Gott im Menschsein ist.

Schon immer gab es Fluchtbewegungen auf unserer Erde. Flucht vor Hunger – Flucht vor Gewalt – immer davon getrieben, das eigene Leben zu erhalten.

Wir wissen doch: jemand, der oder die flüchtet, verliert erst einmal alles. Niemand geht freiwillig – im Sinne eines Lebenskonzeptes – auf die Flucht. 

Jesus teilt dieses Schicksal und setzt damit automatisch auch etwas, was uns heute mehr denn je angeht: in jedem Flüchtenden auch ihn zu sehen.

Gerade jetzt wo angesichts einer Pandemie gerade die sich auf der Flucht befindlichen Kinder, Frauen und Männer noch auf eine ganz andere Art und Weise unterzugehen drohen, verweist uns diese vierte Strophe auf die, die eh in Not sind.

Trotz aller eigenen Bedrängnis, die wir aktuell erleben, gilt es gerade auch sie zu beachten.

Was soll ich weiterfragen. Ich habe manches mitgemacht – wem trau ich mehr: der einen Nacht oder den vielen Tagen?

Am Ende steht dann die alles entscheidende Frage: 

...wem trau ich mehr: der einen Nacht oder den vielen Tagen?

Das ist vielleicht der stärkste Satz dieses Liedes.

Ein Satz – eine Frage, mit dem dieses Lied endet.

Es ist die Frage, die uns doch eigentlich von Anfang bis zum Ende begleitet – umtreibt – ins Schwitzen bringt – an den Rand des Denkbaren.

Eine Frage, die wir manchmal frohen Herzens klar beantworten können...zugunsten der „einen Nacht“.

Dann wieder nur stotternd...oder auch resignativ.

Eine Frage, die wir uns letztlich jeden Morgen – oder jeden Abend neu stellen. Eine Frage, die letztlich niemals abschließend – auf jeden Fall nicht im Voraus - beantwortet werden kann. 

Diese Strophe ist darin so erlösend ehrlich.

Nimmt sie doch ernst, wie eingeklemmt wir sind zwischen dieser einen Nacht und den vielen Tagen, die uns viel zu oft, die eine Nacht austreiben wollen.

Wo wir doch schon so vieles durchgemacht haben.

Wem trauen wir?

Am Anfang eines neuen Jahres?

Wo so vieles ungewiss ist?

Wo wir angesichts einer Pandemie noch viele anstrengende Wochen und Monate vor uns haben?

Wem trauen wir? 

Gottes Weg in dieser Welt ist einer, bei dem ER SICH viel zumutet – aber auch uns.

...wem trau ich mehr: der einen Nacht oder den vielen Tagen?

Und wenn wir nun trotz der physischen Distanz eben auch in unserem Fragen verbunden – dann doch ebenso in der Hoffnung, dass wir diese Frage heute – mindestens heute – eben so beantworten können: „Ja – wir trauen dieser einen Nacht“ – wir versuchen es wenigstens.

Immer wieder neu.

So sei es!

Amen.

 

 

 

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