Predigt zum Sonntag Sexagesimae

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Predigt zum Sonntag Sexagesimae

Psalm 23 (Luther 2017)

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück;  denn du bist bei mir,  dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.  Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Psalm 23 (Bibel in gerechter Sprache)

Gott weidet mich, mir fehlt es an nichts. Auf grüner Wiese lässt Gott mich lagern, zu Wassern der Ruhe leitet Gott mich sanft. Meine Lebendigkeit kehrt zurück. Gott führt mich auf gerechten Spuren – so liegt es im Namen Gottes. Wenn Finsternis tief meinen Weg umgibt, Böses fürchte ich nicht. Ja, du bist bei mir,  dein Stab und deine Stütze – sie lassen mich aufatmen. Du bereitest einen Tisch vor mir, direkt vor denen, die mich bedrängen.  Mit Öl salbst du mein Haupt. Mein Becher fließt über. Nur Gutes und Freundlichkeit werden mir alle Tage meines Lebens folgen,  und zurückkehren werde ich in das Haus Gottes für die Dauer meines Lebens.

Liebe Leserinnen und Leser,

 zwei Versionen vom 23. Psalm. Zwei unterschiedliche Übersetzungen. Die eine ist den meisten von uns vertraut – die andere fremd. Unterschiedliche Perspektiven. Zwei Übersetzungen, die einen neuen Blick auf diesen alten und so bekannten und vor allem beliebten Text ermöglichen. 

Es gibt viele Gründe warum dieser 23 Psalm so bekannt und so beliebt ist. 

Er ist voller Bilder, die unser Leben berühren – nicht abstrakt, sondern jetzt – hier – ganz konkret. Und diese Bilder haben die Fähigkeit unsere eigenen, die dadurch angerührt werden, aufzunehmen. Bilder, in die wir hineinkriechen können und in denen wir uns verstanden wissen.

Auf zwei dieser Bilder möchte ich jetzt eingehen. Zwei Bilder, die sich – so erlebe ich es – aktuell besonders in den Vordergrund drängen – und ich möchte dabei beide Übersetzungen zu Wort kommen lassen: 

Das eine ist das Bild vom „finsteren Tal“ wie es Luther in Deutsche übertragen hat.

Und ob ich schon wandere durch das finstere Tal…

Diesen Vers heute – Anfang Februar – zu hören / zu sprechen / in sich aufzunehmen, setzt automatisch frei, was wir – jede Einzelne / jeder Einzelner – als belastend und eben finster erleben.

Das finstere Tal.

Wohl – stellvertretend für uns alle formuliert – ist das sicherlich diese Zeit der Pandemie, die uns noch keinen wirklich belastbaren Anhalt auf ein Ende oder wenigstens eine deutliche Entspannung an die Hand gibt.

Und da hinein – in diese Finsternis - gesellen sich die vielen anderen Dinge: wie z.B. der Tod eines Menschen – die eigene Erkrankung oder die eines anderen Menschen – die beruflichen und existentiellen Sorgen…gerade jetzt, wo der Lockdown so vieles lahm legt – und ich füge persönlich noch hinzu: finster ist auch, die Situation der Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen und insgesamt der Umstand, dass die Ärmsten dieser Erde in diesen Zeiten noch mehr ins Abseits gedrängt werden. 

Das finstere Tal. Es ist aber nicht das einzige Bild.

Da schließt sich das andere, zweite Bild an: das Bild vom Stecken und Stab: 

Dein Stecken und Stab trösten mich.

Es ist – in der Übersetzung Luthers – das Bild, das sich im Gegensatz zu den anderen Bildern wohl nicht sofort erschließt.

Hilfreich ist daher die Übertragung der Bibel in gerechter Sprache:

…dein Stab und deine Stütze – sie lassen mich aufatmen.

Es ist ein Bild, dass das verstärkt, womit der Vers mit dem finsteren Tal ausmündet und zu diesem zweiten Bild überleitet: mit dem Vertrauen, dass Gott trotzdem bei uns ist – gerade auch in diesem finsteren Tal. 

Dieses Bild von dem Stab und der Stütze ist von dem Hirtenbild – dem Leitmotiv dieses Psalms - abgeleitet:

Wenn wir uns also einmal bildlich – vor unserem inneren Auge – einen Hirten vorstellen: der da steht auf einem Feld, die Schafherde um sich herum. Da steht er – besorgt um das Wohl seiner Tiere. Damit er jede mögliche Gefahr durch ein wildes Tier mitbekommt, ist er gestützt auf dem „Stecken“, der „Stütze“, die ihm hilft aufrechtstehend den Weitblick zu haben. Und er hat seinen Stab dabei, mit dem er angreifende Tier abwehren und in die Flucht schlagen kann. 

Und weiter in diesem Bilde: wenn wir jetzt die Perspektive wechseln und die eines der Schafe einnehmen: ist ein Schaf in freier Wildbahn immer der Gefahr ausgesetzt, angegriffen zu werden, bietet die Nähe zu solch einem Schäfer schlicht Schutz: es kann entspannen – es kann einfach mal nur Schaf sein – es kann aufatmen. 

Besonders gelungen finde ich gerade aufgrund dieses Bildes die Formulierung „aufatmen“. 

Aufatmen!

Gerade angesichts des aktuellen „finsteren Tals“. 

Was meine ich damit?

Es ist ja unsere Erfahrung, dass alles Bedrückende mit uns etwas macht: es deprimiert uns nicht nur, sondern verengt vor allem unseren Blick. Das Finstere wird quasi zur Totalität. Wir können dann oft gar nicht mehr an etwas anderes denken.

Ja, du bist bei mir, dein Stab und deine Stütze – sie lassen mich aufatmen.

Wenn ich aufatmen kann, dann hat das etwas Lösendes. Ich kann wieder zu mir selbst kommen. Kann mich langsam von einem gebannten Blick lösen. Bin in der Lage auch wieder etwas anderes wahrzunehmen. 

Kann so auch auf andere Gedanken kommen – kann meine Perspektive verändern, wie ich auf Dinge schaue. 

Es ist eben ein großer Unterschied, ob ich mich in meinem finsteren Tal mutterseelenallein erlebe oder ob ich in diesem Tal hinter mir Gottes Stütze und Stab spüre… von ihr weiß… oder wenigstens erhoffe.

Aufatmen.  

Was kann das bedeuten?

Wenn ich morgens die Zeitung lese, bekomme ich eigentlich immer schlechte Laune – und ich das Bild dieser Welt verdunkelt sich. Ein Bild will sich da in meinem Kopf Bahn brechen, als wäre die Welt in jeder Hinsicht kaputt.

Aufatmen – das bedeutet, dass ich mich daran erinnern lasse, dass Gott selbst zu dieser Welt – zu SEINER Schöpfung – gesagt hat, dass sie gut sei. 

Auch wenn die Probleme dieser Welt im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel schreien, steht unsere Welt unter dem Vorzeichen, dass sie gut ist.

Aufatmen – schützt mich davor, meinen Blick auf die Welt / die Menschen verfinstern zu lassen. Schützt mich, dass mich die Dunkelheit kontaminiert.

Aufatmen – beinhaltet also zu hoffen: dass sich Finsternis vertreiben lässt – dass es hell wird – für alle!

Aufatmen bedeutet dann darin auch inmitten des Finsteren zu erkennen, dass auch jetzt eben nicht alles finster ist. Dass auch in diesen Zeiten Menschen trotz aller Widrigkeiten für die Humanität arbeiten. Es sind nicht nur Freiwilligen auf den Schiffen im Mittelmeer, die Flüchtende retten – es sind nicht nur diejenigen, die zum Beispiel hier in Düsseldorf Obdachlose, die es aufgrund der Pandemie noch schwerer haben, mit Schlafsäcken versorgen. Es sind nicht nur diejenigen in den Krankenhäusern, die bis zur Erschöpfung alles daransetzen, Leben zu retten. Es sind nicht nur diejenigen, die Mieten stunden, weil jemand aufgrund der eigenen Arbeitssituation kein Einkommen jetzt hat. Es sind nicht nur diejenigen, die Geschäfte vor Ort zu unterstützen. Es sind nicht nur die Nachbarn, die für andere in ihrem Haus Einkäufe übernehmen oder über sich kümmern. Es sind auch die ganz kleinen Gesten im Alltag, die von Menschlichkeit und Wärme zeugen – und das kann schlicht auch ein Gruß im Vorbeigehen sein – trotz Maske.

Aufatmen zur Hoffnung.

Dass die bestehende Finsternis nicht das letzte Wort hat.

Aufatmen, dass wir uns sich selbst als Geschöpfe Gottes erleben können – von „guten Mächten treu und still umgeben“.

Solch ein Aufatmen wünschen ich uns allen.

Amen.

 

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