02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis
Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis
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Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis
Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte.
So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen:
Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte;
nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären;
mehret euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.
Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl.
Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.
Liebe Lesende,
Ganz gleich ob man heute lebt oder vor über 2500 Jahren. Bestimmte Fragen bleiben einfach gleich. Wie eben die, wie man sich in einer Krisensituation verhalten soll.
Auch wenn sich die konkreten Situationen unterscheiden – Krisen unterschiedliche Ursachen haben, so ist doch die Frage konstant.
Damals – zur Zeit des Jeremia - hat das Exil das Volk in eine Krise gestürzt. Der Verlust der Heimat – mehr noch der Verlust des verheißenen Landes und damit eine handfeste Glaubenskrise. Denn dem Glauben war buchstäblich der Boden entzogen worden – war doch das „verheißene Land“ (wie auch heute) ein unaufgebbarer Teil des Glaubens, so dass die Verschleppten auch spirituell entwurzelt waren.
Kann es da noch eine Zukunft geben? Was bedeutet das für das konkrete Leben? Auch ganz individuell?
Was bedeutetet das alles, was wir derzeit erleben, für unsere Zukunft?
Mitten im Klimawandel.
Inmitten einer alles und jeden belastenden Pandemie.
Inmitten einer aufgewühlten gesellschaftlichen Situation – mit soviel Spaltung und soviel Wut.
Inmitten einer aufgepeitschten Welt, in der Gewaltbereitschaft mehr und mehr steigt…sich unsere Welt in einem permanenten Kriegszustand befindet.
Nicht nur die junge und jüngere Generation verspürt eine große Verunsicherung bis hin zu einer Entwurzelung.
Wie mit all dem umgehen?
Zwei Aspekte finde ich bemerkenswert, die damals den in der Fremde Lebenden und die letztlich auch heute uns an die Hand gegeben werden:
Sich dem Leben zu zuwenden und Solidarität zu üben.
Wo Krisen jeder Art verständlicherweise Resignation, Depressionen oder Perspektivenlosigkeit auslösen, geht der Prophet darauf nicht direkt ein, sondern überrascht seine Landsleute mit der Aufforderung, zu leben.
Einfach zu leben – nicht mit hängenden Kopf…sondern so wie sie es auch in der Heimat täten – bis hin zu heiraten und Kinder zu zeugen.
Das Leben soll nicht vergessen werden.
Die Liebe zum Leben darf nicht verloren gehen.
Das ist das kostbarste Gut, was sie haben.
Und diese Hinwendung gilt nicht nur den eigenen Leuten.
Es gilt auch denen, die nicht zum eigenen Volk gehören.
Suchet der Stadt Bestes.
Lebensbejahung und solidarisches Handeln.
Krisen bringen normalerweise keine Öffnung und geschweige denn eine Hinwendung zu anderen hervor – eher eben Abschottung und Vereinzelung.
Hier soll es aber anders sein!
Warum ist diese Hinwendung zum Leben und zu anderen so wichtig? Und heilsam? Gerade auch in dieser Kombination?
Ich glaube, es geht schlicht und einfach darum, Gottes Liebe zum Leben zu spüren.
Gottes Liebe zum Leben, dass sich im Essen der Früchte der Erde spüren lässt…in der Gründung von Familien…im Miteinander der Generationen…
Gottes Liebe zum Mitmenschen, das sich erfahren lässt, wenn man im Sinne des Gemeinwohls erkennt, dass auch die anderen – ganz gleich welcher Herkunft, Religion oder Hautfarbe, die gleichen Bedürfnisse und Sehnsüchte nach Frieden haben.
Leben und leben fördern.
Spüren, Mensch zu sein.
Zu sich selbst zu kommen: zum Grund des Menschseins.
Für sich und andere zu sorgen bedeutet das Leben in Gänze wieder zu entdecken – auch und gerade in einer Krise.
Und das ist kein Widerspruch!
Also keine stumpfe Aufforderung mit Scheuklappen einfach weitermachen – so zu leben als wäre nichts geschehen – als würde nichts geschehen.
Und genauso wenig ein Impuls angesichts der vielen Probleme zu erstarren.
Es ist typisch für Gottes Seelsorge, dass die Lebensbejahung am Anfang steht.
ER weiß, was wir brauchen – was gut für uns ist.
Wir sind schon eh zu sehr mit uns selbst beschäftigt: als Einzelne – als Kirche – als Gesellschaft.
So viele Probleme – so viele Entscheidungen – so viele Fragen.
Und da sagt uns Gott: Ihr dürft leben – Ihr dürft es kosten/genießen.
Denn das ist die Grundlage für alles Weitere…in mehrfacher Hinsicht:
In dieser Zugewandtheit zum Leben eröffnen sich Perspektiven.
Solch eine doppelte Zugewandtheit ist ein Nährboden für Hoffnung.
Und um Hoffnung geht es!
Weil wir sie brauchen.
Hoffnung, um der Krise zu trotzen.
Oft wird ja gedacht, speziell eine kirchliche Haltung in dieser so komplizierten Welt müsste bierernst, asketisch, alle Freuden abschwörend sein.
Ich denke, dass das nicht stimmt – dass das sogar das Leben schwächt.
Vielmehr: sich dem Leben zuzuwenden.
Die Kunst ist eben nur, selbst zu genießen und dabei mein Gegenüber nicht aus dem Blick zu verlieren. Nicht auf Kosten – sondern mit anderen.
Und an dieser Stelle bedarf die Aufforderung des Propheten insofern eine Präzisierung, dass der Ruf, der Stadt Bestes zu suchen, sehr weit ist: Solidarisches Handeln bezieht sich nicht nur auf das solidarische Miteinander, sondern im ganzheitlichen Sinne betrifft es genauso die ökologische Lebensführung: Frieden, Gerechtigkeit und eben Bewahrung der Schöpfung.
Also: In dieser Welt das Leben zu lieben und Solidarität mit dem Mitmenschen und SEINER Schöpfung zu üben, würde Gott nicht nur ernst nehmen – es wäre ein rechter Gottesdienst in dieser Welt – ein Signal, dass Gott das Leben will…und nicht die Zerstörung.
Das Leben lieben – um das Leben zu erhalten – für uns und für andere.
Eigentlich ist das doch naheliegend.
Amen.
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