02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum 2. Advent
Predigt zum 2. Advent
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Predigt zum 2. Advent
Liebe Leserin, lieber Leser!
Es ist der zweite Advent - Adventszeit.
Schon bald ist Weihnachten.
Aber wird es ein Weihnachten werden, das in einer gewissen Normalität gefeiert werden kann? Oder kommen dann doch wieder Kontaktbeschränkungen, Lockdowns - alles erneut mit angezogener Handbremse?
Was können wir erwarten?
Es ist Adventszeit.
Warum eigentlich? Warum ist diese Zeitspanne dem Weihnachtsfest überhaupt vorgeschaltet?
Das, was am Heiligen Abend von Jahr zu Jahr immer wieder neu erzählt wird, soll vorbereitet werden.
Und dabei sollen die Erwartungen an dieses Fest am 24. Dezember in den Mittelpunkt rücken. So werden uns in der Adventszeit biblische Texte vor Augen geführt, die uns auf den Kern von Weihnachten hinweisen – uns daran erinnern sollen.
Wie auch heute. Ein Text des Propheten Jesaja,(Jesaja 63,15-64,3), der aber alles andere als weihnachtlich daherkommt. Nichts von „stiller Nacht“ oder einem „harmonischen Zusammensein“.
Denn - das müssen wir uns klar machen - Weihnachten ist ursprünglich gar kein Familienfest gewesen. Eben „ nur“ ein kirchlicher Feiertag. Ein kirchlicher Feiertag – auch für Familien. Aber eben ein kirchliches Datum in einer kirchlichen Binnenstruktur, das jenseits der Kirchenmauern keine Bedeutung hatte. Doch das hat sich dann nach und nach verändert. Und es ist auch gar kein Problem, dass das so ist. Denn für viele - gerade heute - ist Weihnachten der Ort, an dem alle mal wieder zusammenkommen können. Das ist ein hoher Wert.
Und zugleich: der Heilige Abend - besser: die Geburt Jesu gibt uns noch mehr an die Hand - sehr viel mehr.
Hören wir auf die Worte des Propheten Jesaja:
63,15 So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich. 16 Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, Herr, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name. 17 Warum lässt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind! 18 Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten. 19 Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde. Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, 64,1 wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, 2 wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen! 3 Von alters her hat man es nicht vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.
Es ist ein Text, der an unsere aktuelle Situation auf den ersten Blick sofort anschließt - und uns eine Perspektive erschließt: die Dimension des Weihnachtsfestes deutlich macht.
Am Anfang steht eine Klage: das Erleben der Gottesferne.
Eine Ferne wird da zur Sprache gebracht, die ein Bild erzeugt: eine Verlassenheit auf dieser Erde angesichts einer desolaten Situation.
Jesaja formulierte diese Worte einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung.
Angesichts einer Pandemie - angesichts der vielen Kriege - der fürchterlichen Situation der unzähligen Flüchtlinge - angesichts der Klimakatastrophe: erscheint dieser Text wie für uns in Worte gegossen.
So ungemütlich dieser Prophetentext auch sein mag - so unweihnachtlich er erst einmal klingen mag: er kommt zur rechten Zeit, weil er uns deutlich macht, dass wir eigentlich auch jenseits einer Pandemie jedes Jahr als Klagende - als Menschen in einer globalen Not - in das Weihnachtsfest hineinstolpern.
Wir stolpern auf unserem Weg.
Weil soviel Not da ist.
Das gehört zu unserer christlichen Existenz: stolpernd und klagend durch die Zeiten zu gehen.
Und es gilt: Gott dabei ins Gebet zu nehmen.
IHN zu fragen - nein ihn anzuflehen - mehr noch: von IHM zu verlangen, endlich sich zu zeigen.
Indem wir das tun, nehmen wir Gott ernst.
Und eigentlich nehmen wir IHN nur so ernst.
Und es bleibt nicht bei der Klage.
In dem Fragen nach Gott, wo ER denn ist - warum ER so fern ist…SICH zu verbergen scheint, steckt die Hoffnung nach einem geheilten Leben.
Keine Hoffnung ohne das Klagen.
Hoffnung, dass Gott sich durchsetzt.
Dass ER die Power hat, alle anderen Mächte in den Schatten zu stellen – anders formuliert: dass die feindlichen Mächte (und das sind die, die das Leben auf so unterschiedliche Art und Weise beschädigen) ihre Macht nicht nur verlieren, sondern in jeder Hinsicht keine Rolle mehr spielen werden und können.
Dass das wahr werden möge, was wir wie in jedem Gottesdienst - im Vater unser beten werden: dass SEIN Reich komme – dass SEIN Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden.
Dass Gott regiert.
…ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen…
Entsprechend wird auch im Advent und am Heiligen Abend das Lied „Oh Heiland, reiß die Himmel auf“ gesungen:
O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß, im Tau herab, o Heiland, fließ. Ihr Wolken, brecht und regnet aus den König über Jakobs Haus.
O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, dass Berg und Tal grün alles werd. O Erd, herfür dies Blümlein bring, o Heiland, aus der Erden spring.
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal.
O klare Sonn, du schöner Stern, dich wollten wir anschauen gern; o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein in Finsternis wir alle sein.
So dass genau an dieser Stelle kommt das Weihnachtsfest wieder ins Spiel.
Es geht genau um diese Hoffnung, dass damals - vor 2000 Jahren - abseits aller Machtzentren der damaligen Welt diese Hoffnung Fleisch und Blut erhalten hat.
Dass in diesem kleinen Kind in der Krippe Gott uns Menschen die Richtigkeit dieser Hoffnung gezeigt hat. Dass ER uns damit ein Zeichen gegeben hat, dass es sich lohnt zu klagen - und dass es sich lohnt zu hoffen.
Es sind noch fast drei Wochen bis Weihnachten.
Ich habe keine Ahnung, wie dann die Situation aussehen wird.
Was wir dürfen oder nicht dürfen.
Ich hoffe natürlich auch für mich selbst, dass wir wenigstens mit allen feiern können, die uns am Herzen liegen.
Aber ganz egal, wie es dann aussehen wird: in unserer Not und in unserer Klage sind wir bei Gott gerade an diesem Tag genau richtig. Und genauso mit unserer Hoffnung. Sie wird an diesem Tag gefeiert.
Die Hoffnung, dass das Leben siegt.
Dass alles gut wird.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen gesegneten 2. Advent.
Amen
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