Die Zeit? Läuft!

Die Zeit? Läuft!

Die Zeit? Läuft!

# Neuigkeiten aus Emmaus

Die Zeit? Läuft!

Von Sonja Intze. Haben Sie Zeit, diesen Text über die Zeit zu lesen? Lesezeit ca. 2,5 min

Die Zeit ist ein unheimliches Phänomen: Obwohl unsichtbar, beherrscht sie unser Sein. Sie selbst lässt sich nicht greifen, hat uns aber fest im Griff. In der Kindheit mäandert die Zeit noch vor sich hin, dehnt sich aus – manchmal so weit, dass wir von Kindern allzu oft den Satz zu hören bekommen „Mir ist langweilig“. Im Laufe der Zeit, als Erwachsener, schleicht und schlendert die Zeit nicht mehr, sondern läuft eben und treibt uns unbarmherzig vor sich her. Eingezwängt zwischen Vergangenheit („hätte ich doch nur“) und Zukunft („wenn ich erstmal …. , dann…), kommt bei vielen Erwachsenen die Gegenwart zu kurz. Unsere Standardausrede: „Ich habe keine Zeit“. Eigentlich herrscht ein permanenter Mangel an Zeit, wir haben zu wenig davon: für uns, für andere und auch für die Aufgaben, die wir bei unserer Arbeit erledigen wollen/müssen – die to do Liste wird nie kürzer. Ob im Job oder zuhause, wir fühlen uns unter Druck und gestresst – sogar unsere Hobbys mutieren zu „Freizeitstress“.

Als die meisten Menschen noch Bauern waren, folgte der Rhythmus des Lebens dem Lauf der Sonne: Bei Sonnenaufgang stand man auf, bei Sonnenuntergang ging man ins Bett. Es gab Zeiten zu säen und zu ernten. Im Sommer war mehr zu tun als im Winter. Auch der Glaube strukturierte das Leben: Sechs Tage Arbeit, am siebten Tage sollst du ruhen, Zeit für Religion, Geselligkeit und das süße Nichtstun. Die Arbeit nahm demnach schon immer völlig selbstverständlich den größten Raum im Leben der meisten Menschen ein. Zwar ist die offizielle Wochenarbeitszeit in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer weiter gesunken, es gibt Branchen, da wird für Vollbeschäftigte derzeit über eine 35-Stunden-Woche diskutiert. Und im Vergleich mit anderen europäischen Ländern weisen wir in Deutschland die zweitkürzeste Lebensarbeitszeit auf. Trotzdem wächst unter den deutschen Arbeitnehmern die Angst vor einem Burnout. Seit der industriellen Revolution hat sich unsere Arbeit dank technischer Errungenschaften immer weiter beschleunigt und verdichtet, durch permanente Erreichbarkeit und Home Office in den letzten Jahren zusätzlich entgrenzt. Dadurch lässt sich in vielen Jobs die Trennlinie zwischen Arbeit und Privatleben nicht mehr eindeutig ziehen. Die Abgrenzung fällt schwer und wir sind quasi immer on oder zumindest Stand-by. Raum für Erholung bleibt kaum, vor allem, wenn wir zusätzlich Angst davor haben, in unserer Freizeit etwas zu verpassen und multioptional unterwegs sind: Was ist das neueste, aufregendste, angesagteste, beste Was-auch-immer, bei dem ich unbedingt mitreden muss?

Derartig abgefüllt und abgelenkt, lässt sich natürlich nur schwer herausfinden, wofür, womit und mit wem ich meine Lebenszeit tatsächlich verbringen möchte. Zuhören hilft, um die eigene innere Stimme und die meines Gegenübers besser zu verstehen. Voraussetzung für echtes Zuhören (wir ahnen es schon): sich Zeit nehmen – ein aktiver Akt, der eine eigene Entscheidung verlangt.

 

Lesetipp: „Momo“ von Michael Ende

Das Buch zählt zurecht zu den jungen Klassikern, beschreibt es doch auf poetische Weise ein zeitloses Problem der Menschheit: den Zeitmangel. Die sogenannten grauen Herren versuchen den Menschen die Zeit zu rauben, die sie brauchen, um selbst am Leben zu bleiben. Sie verleiben sich die Lebenszeit anderer Menschen ein, indem sie sie rauchen, wodurch sie sich regelrecht in Luft auflöst und immer mehr Nachschub benötigt wird. Nur das Mädchen Momo vermag den Zeitdieben Einhalt zu gebieten. Ihre Waffe: Zuhören.

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed