„Es berührt mich zu sehen, wie anfangs völlig verängstigte Menschen zur Ruhe kommen“

„Es berührt mich zu sehen, wie anfangs völlig verängstigte Menschen zur Ruhe kommen“

„Es berührt mich zu sehen, wie anfangs völlig verängstigte Menschen zur Ruhe kommen“

# Neuigkeiten aus Emmaus

„Es berührt mich zu sehen, wie anfangs völlig verängstigte Menschen zur Ruhe kommen“

Im Jahr 2015 hat unsere Gemeinde (damals noch „Matthäi“) ihr erstes Kirchenasyl durchgeführt – mit rechtlicher Hilfe von Matthias Schwab. Seither engagiert er sich in der gemeindlichen Kirchenasylarbeit und vertritt unsere Gemeinde im Arbeitsausschuss des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche NRW. Seit fünf Jahren ist er zudem einer der offiziellen Ansprechpartner der EKiR zum Thema Kirchenasyl. In dieser Funktion verhandelt er mit den staatlichen Stellen und berät asylgewährende Gemeinden und Kirchenkreise. Er erzählt im Gespräch, welche Erfahrungen unsere Gemeinde gemacht hat, warum sich das Engagement lohnt und wie er in die Zukunft blickt.

 

Wie finden die Schutzsuchenden den Weg zu unserer Gemeinde?

Das ist unterschiedlich. Manchmal sprechen sie direkt bei den Pfarrpersonen oder im Gemeindebüro vor. Meistens werden sie uns aber von der Diakonie oder vom Psychosozialen Zentrum für Geflüchtete Düsseldorf (PSZ) ans Herz gelegt.

 

Wer beschließt in unserer Gemeinde über die Aufnahme ins Kirchenasyl?

Vor Beginn eines Kirchenasyls muss ein ordnungsgemäßer Beschluss des Presbyteriums gefasst werden. In eiligen Fällen, in denen die Einberufung des Presbyteriums nicht möglich ist, kann auch eine einstweilige Anordnung getroffen werden. Wir haben in unserer Gemeinde einen Ad-Hoc-Ausschuss, welcher die Anfragen berät. Wegen der Bedeutung des Kirchenasyls ist aber zeitnah ein Presbyteriumsbeschluss zu erwirken. 


Werden Anfragen von Schutzsuchenden auch abgelehnt?

Das ist leider schon aus Kapazitätsgründen unumgänglich. Aktuell gewährt in Düsseldorf außer unserer Gemeinde nur eine weitere Kirchenasyl. Die Nachfrage ist aber um ein Vielfaches größer. Hierzu einmal zwei Zahlen: Im vergangenen Jahr haben Gemeinden der EKiR in 248 Fällen Kirchenasyl gewährt. Allein im Landeskirchenamt sind aber in dieser Zeit über 2.500 Anfragen nach Kirchenasyl eingegangen.

 

Welche Unterstützung erhalten die Schutzsuchenden während des Kirchenasyls?

Während des Kirchenasyls erhalten unsere Gäste keinerlei staatliche Unterstützung. Das bedeutet, dass sie von der Gemeinde versorgt werden müssen. Das gilt übrigens auch in Gesundheitsfragen. Ansonsten haben wir ein Team von Haupt- und vor allem Ehrenamtlichen, die sich um die Menschen im Kirchenasyl kümmern. Besonderen Wert legen wir dabei darauf, unsere Gäste bereits im Kirchenasyl beim Erwerb der deutschen Sprache zu unterstützen.

 

Wie erleben Sie die Menschen?

Unsere Gäste sind sehr dankbar. Es berührt mich immer sehr zu sehen, wie anfangs völlig verängstigte Menschen Vertrauen fassen und zur Ruhe kommen.

 

Was ist nach Beendigung des Kirchenasyls aus den Schutzsuchenden in unserer Gemeinde geworden?

Kürzlich haben wir unser 14. Kirchenasyl erfolgreich beenden können. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir nicht zu allen Personen dauerhaft Kontakt halten können. Ich kann aber sagen, dass alle Personen, die bei uns im Kirchenasyl waren, einen Aufenthaltstitel erhalten haben. Unser erster Gast ist inzwischen sogar deutscher Staatsbürger.

 

In der Gemeinde ist über die vielen Jahre das Kirchenasyl nicht nach außen getragen worden. Warum?

Die Landeskirche rät dazu, Kirchenasyle zwar offen zu führen, also die Behörden stets zu informieren, sich im Übrigen aber ruhig zu verhalten. Ich halte das für sehr vernünftig, da dies auch den Behörden die Möglichkeit gibt, ruhig zu bleiben. Eine große Öffentlichkeit würde vermutlich auch die Behörden unter Handlungsdruck setzen.

 

Wie reagieren die Behörden auf die Meldung eines Kirchenasyls?

In den allermeisten Fällen verhalten sich die Behörden ruhig und brechen das Kirchenasyl, auch nach Ablehnung von Dossiers, nicht. Allerdings hat es in der jüngsten Vergangenheit vereinzelt Fälle gegeben, in denen aus Kirchenasylen heraus Abschiebungen vorgenommen wurden. In NRW geschieht das glücklicherweise nur sehr selten. Unsere Gemeinde war hiervon bislang noch nie betroffen.

 

Wie steht die evangelische Kirche im Rheinland zum Kirchenasyl?

Die asylgewährenden Gemeinden werden umfänglich unterstützt und beraten. Gerade in Konfliktlagen wird sofort der Kontakt zu den Behörden gesucht, was sehr hilfreich ist. Sicher auch deshalb ist die EKiR regelmäßig die Landeskirche mit den meisten Kirchenasylen.

 

Gibt es eine Vernetzung von Gemeinden in der evangelischen Kirche, die Kirchenasyle gewähren?

Ja, die gibt es. Auch unsere Gemeinde ist Mitglied des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche NRW. Das Netzwerk ist Teil der Bundesvereinigung Asyl in der Kirche und unterstützt Gemeinden zum Beispiel beim Erstellen der Dossiers.

 

Gerät angesichts wachsender Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft das Kirchenasyl unter Druck?

Das steht zu befürchten. Die AfD agitiert seit Jahren gegen das Kirchenasyl. Aber auch andere versuchen sich hier auf Kosten der Schwächsten zu profilieren. So wird zum Beispiel aus der Politik immer häufiger der Vorwurf erhoben, dass die Kirchen die Vereinbarung von 2015 brechen würden, wenn sie ein Kirchenasyl auch nach der Ablehnung eines Dossiers fortsetzen. Tatsächlich ist dies aber nie vereinbart worden. Auch die oben erwähnten jüngsten Brüche von Kirchenasylen dürften vor allem mit dem Versuch zu tun haben, sich am rechten Rand profilieren zu wollen.

 

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Die Fluchtursachen werden weiter zunehmen. Gleichzeitig wird der Druck auf geflüchtete Menschen durch die Abschottungsversuche enorm erhöht. Hieraus folgt fast zwangsläufig, dass sich die Nachfrage nach Kirchenasyl weiter erhöhen wird.

 

Woher nehmen Sie Ihren Glauben, dass unser Handeln richtig ist?

In der Bibel können wir lesen: „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der Herr euer Gott“ (Lev 19,33 ff.).

 

Das Gespräch führten Ruth Steinacker und Jessica Voß.

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