08/06/2025 0 Kommentare
Predigt am Himmelfahrtstag über Lukas 24,44-53
Predigt am Himmelfahrtstag über Lukas 24,44-53
# Emmaus: Predigten

Predigt am Himmelfahrtstag über Lukas 24,44-53
44 Jesus sagte zu ihnen: »Dies sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Alles muss erfüllt werden, was in der Tora des Mose und in den prophetischen Schriften und Psalmen über mich geschrieben steht.« 45 Da öffnete er ihnen den Sinn, damit sie die Schriften verstanden, 46 und er erklärte ihnen, was geschrieben stand, dass nämlich der Christus auf diese Weise leiden und am dritten Tage von den Toten auferstehen werde, 47 und dass auf seinen Namen hin Umkehr unter allen Völkern ausgerufen werden solle, um vom unrechten Tun abzulassen. »Fangt an in Jerusalem; 48 und seid dafür Zeuginnen und Zeugen. 49 Siehe, ich sende die Verheißung Gottes auf euch: Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.« 50 Er führte sie hinaus bis in die Nähe von Betanien und erhob seine Hände und segnete sie. 51 Während er sie noch segnete, entschwand er ihnen und wurde in den Himmel emporgehoben. 52 Sie warfen sich anbetend vor ihm nieder und kehrten mit großer Freude nach Jerusalem zurück. 53 Und sie waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
Liebe Gemeinde,
Die Geschichte vom Himmelfahrtstag ist recht seltsam und auch ein wenig spooky. Aber es ist nicht die einzige Geschichte der Bibel, die davon erzählt, dass jemand auf einmal nicht mehr da ist – entrückt wird.
Aber das hat nicht nur eine erzählerische Funktion, mit der markiert werden soll, dass jemand nicht mehr da ist… im Sinne einer Abschiedsgeschichte.
Im Kern ist es jedoch eine theologische Reflektion – eine Reflektion, die sich mit der Frage beschäftigt, wie die Zurückgelassenen jetzt weiterleben können … wo der Messias – der Hoffnungsträger –nicht mehr da ist.
Es ist so etwas wie die theologische „Stunde Null“.
Bricht jetzt alles auseinander, was so verheißungsvoll mit dem Rabbi aus Nazareth begonnen hat?
Verflüchtig sich der Traum von der Befreiung?
Der Traum von einer Welt ohne Unterdrückung…ohne Gewalt?
Einer Welt, in der für jede und jeden Platz ist?
Gerinnt der Satz „Wir aber haben so gehofft!“ zu einem endgültigen Satz der Resignation?
Insofern steht dieser Text von der Himmelfahrt an einer ganz neuralgischen Stelle.
Kann es überhaupt weitergehen?
Und wenn ja: Wie?
Eine Frage, die letztlich für uns zu einer permanenten Frage geworden ist: stehen wir doch letztlich nach wie vor neben den Freunden und Freundinnen von Jesus.
Kann es also weitergehen?
Im Rhythmus des Kirchenjahres wissen wir natürlich, dass eine Antwort darauf im Pfingstfest liegt, das wir in 10 Tagen miteinander feiern werden – wie jedes Jahr. So wie es auch im heutigen Predigttext angekündigt ist:
„Siehe, ich sende die Verheißung Gottes auf euch: Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.“
Und auch wenn das Pfingstereignis heute wohl mehr Fragen in uns auslöst als dass sie Antworten gibt, ist dem Predigttext etwas anderes vorgeschaltet, auf dass ich jetzt eingehen möchte. Denn Jesus gibt seinen Freundinnen und Freunden im wahrsten Sinne des Wortes die Schriften etwas an die Hand. Er verweist auf die Schriften: auf das Gesetz – die Tora...die Propheten...und auf die Psalmen.
Warum?
Es gibt dafür mehrere Gründe:
1.
Die Freunde Jesu sollten den Weg des Rabbis aus Nazareth im Zusammenhang der großen Verheißung Gottes sehen. Das, was Jesus gepredigt hat – was er getan – wie er seinen Weg gegangen ist – das alles soll verstanden werden als die Bestätigung dessen, was Gott von Anfang an gewollt hat: Befreiung zu bringen aller Welt.
Und so bindet sich Jesus selbst zurück an die Schrift.
Befreiung ist nicht ein neuer Gedanke, den der Zimmermannssohn in die Welt gebracht hat: der Gott Abrahams und Sarahs – Jesu Vater – steht dafür von Anfang an.
2.
Und die Erinnerung daran …das sich immer wieder vor Augen halten… ist überlebenswichtig und Grundlage für das weitere Leben – ohne Jesus.
Denn Jesus wusste nur zu gut, dass alle, die ihm Vertrauen schenken würden – damals wie auch heute – in stetiger Anfechtung leben würden.
Damals – wie auch heute – waren die äußeren Verhältnisse gerade nicht glaubensstärkend. Damals erdrückte die römische Besatzung – die alltägliche Ausbeutung durch den Kaiser...die alltägliche Demütigung und Gewalt – alle Hoffnung.
Und bei uns? Schauen wir nur in unsere Welt!
Dystopie an allen Ecken und Enden!
Das Leben in Anfechtung: es lässt den Blick erstarren – vor dem, was ist. Und der Kopf senkt sich zum Boden – aus Hoffnungslosigkeit.
Und genau deswegen – damit das nicht das letzte Wort hat – soll die Schrift dienen. Um erinnert zu werden – damit das, was ist, nicht alle Sicht verbaut oder verdunkelt.
Dass so vielmehr die Möglichkeit eröffnet wird, den Kopf wieder zu heben und die Welt anders betrachten zu können.
Nicht dass das Leid weniger wäre.
Nicht, dass das Leid irgendeinen Sinn bekäme – Gott bewahre.
Vielmehr mit dem Ziel, mit der Erinnerung an Gottes Verheißung davor bewahrt zu werden, das Leid hinzunehmen – und noch mehr: dass Gottes Verheißung unseren Widerstand zu wecken vermag: all das, was in unseren Möglichkeiten steht, zu tun, gegen das, was Leid verursacht anzukämpfen.
Um nichts anderes geht es bei dem Auftrag, Zeuginnen und Zeugen zu sein.
Jesus hat ein Interesse daran, dass die Seinen – und dazu zählen wir auch – widerstandfähig werden – um das zu tun, was nötig ist.
Die Schrift als Orientierung und so auch als Hoffnungsquelle.
Es gibt eine wunderschöne kleine Geschichte – einen Midrasch – eine rabbinische Auslegung einer Bibelstelle aus dem Alten Testament – die genau zu unserem Predigttext passt:
Ein König heiratet eine vornehme Dame und schreibt ihr einen hochdotierten Ehevertrag; soundso viele Häuser schenke ich dir, soundso viele kostbare Purpurgewänder. Dann geht der König in eines seiner weit entlegenen Länder und kehrt lange nicht zurück. Die Nachbarinnen kommen und verhöhnen die Vereinsamte: „Gewiss hat dich der König verlassen, er ist weg und kommt nicht wieder“ sagen sie. Die Königin weint und seufzt, doch wenn sie wieder allein ist, öffnet sie den Ehevertrag mit den vielen Versprechungen und ist getröstet. Nach Jahren kehrt nun der König heim und er sagt zu seiner Frau: „Meine Liebe, ich staune, wie du so lange hast auf mich warten können.“ Die Gattin erwidert: „Wäre nicht dein Vertrag gewesen, meine Nachbarinnen hätten mich zugrunde gerichtet“.
Und der Midrasch fährt weiter fort:
So sprechen auch die Völker zu Israel: „Euer Gott hat SEIN Antlitz vor Euch verborgen, SEINE Gegenwart aus euer Mitte entfernt, und ER kehrt nicht wieder.“ Israel weint und seufzt. Doch dann tritt es in seine Gebets- und Lehrhäuser ein und liest in der Tora (in der Bibel) ... und spricht: „Herr der Welt, wäre nicht Deine Tora gewesen, die Völker hätten uns zugrunde gerichtet“.
Und ähnlich können wir uns daran anhängen: indem wir uns im Gottesdienst immer wieder an Gottes Verheißungen erinnern - indem wir Gottes Zusage zu Wort kommen lassen, dass ER uns nicht im Stich lässt, so helfen wir uns gegenseitig zur Hoffnung - auch dann wenn es gegen alle Erfahrung geht.
Nicht mit gesenktem Kopf sollen die Seinen dastehen und in die Welt hinausgehen – sondern mit erhobenem Haupt.
Hoffnungsvoll.
Getröstet.
Gestärkt.
Aufrechter Gang.
Es ist Ausdruck der Hoffnung – für diese Welt.
Amen.
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