Predigt über Markus 14,3-9: Die Salbung in Bethanien (Palmarum)

Predigt über Markus 14,3-9: Die Salbung in Bethanien (Palmarum)

Predigt über Markus 14,3-9: Die Salbung in Bethanien (Palmarum)

# Emmaus: Predigten

Predigt über Markus 14,3-9: Die Salbung in Bethanien (Palmarum)

Liebe Gemeinde, 

darf man in Zeiten der Not verschwenderisch sein?

Das scheint auf den ersten Blick die zentrale Frage des heutigen Predigttextes zu sein? 

Das heißt es:  

Und als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt.

Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.  

Da sind die einen – die Namenlosen – die murren angesichts der Tatsache, dass ein wahnsinnig teures Öl für eine einmalige Handlung benutzt wird – Öl, was man hätte verkaufen und für die Armen verwenden können.  

Ist das Murren abwegig?  

Ich stelle mir die Protestierenden vor als Menschen, die ihre Augen nicht verschließen. Die genau mitbekommen was passiert: damals ein Land vor Augen, das nach und nach von der römischen Besatzungsmacht ausgesaugt wird. Wo die römische Ausbeutungspolitik tagtäglich neue Opfer produziert. Und wer einmal den Blick auf die Not – und vor allem die Opfer gerichtet hat – wer in die Gesichter der Gedemütigten geschaut hat – der kann das nur noch schwer vergessen.

Und die, die damals murren, können einfach nicht so tun, als gäbe es keine Not.

Das sind keine asketischen Lebensfreude-Austreiber.

Es sind die, denen das Leiden anderer an die Nieren geht...und die solidarisch handeln.  

Mir sind diese Murrenden sehr sympathisch.

Es sind doch diejenigen, von denen es erfahrungsgemäß nicht genug gibt.

Sie sind mir auch gerade deshalb sympathisch angesichts dessen, was gerade in unserer Zeit passiert: wie sich Menschen auf Kosten anderer bereichern. Nicht nur jenseits des Atlantiks. Wenn Mächtige nur noch den eigenen Vorteil vor Augen haben und wenn ihnen vollkommen egal ist, welche Konsequenzen ihre Gier für andere hat. Wenn Hilfsprogramme gestrichen werden – jegliche Form von Mitmenschlichkeit keine Rolle mehr spielt.

Gäbe es doch mehr, die angesichts dessen murren würden!  

Und doch liegen die Murrenden in unserem Predigttext in DIESER einen Situation falsch.

In diesem Haus in Betanien – zu jener Stunde.

Sie sehen nur – vordergründig – Verschwendung.

Aber das ist es nicht. Es kommt in diesem Fall zu einer überraschenden Wendung.  

Denn es gibt diese Situationen, die sich von den anderen unterscheiden - die anders sind. In denen das anscheinend Unverantwortliche auf einmal in einem ganz anderen Licht erscheint.  

Jesus selbst gibt dafür die Deutung: er ist nicht mehr lange da. Wobei das allein gar nicht die eigentliche Erklärung ist. Denn was hier geschieht ist alles andere als eine luxuriöse Körperpflege – keine Selbstberäucherung – sondern es ist die Salbung zum Begräbnis – mit der ein Zeichen gesetzt wird.  

Denn dieses Salben ist nichts anderes als eine Zeichenhandlung – eine Performance – und darin eine subversive Handlung.  

Heute ist der Sonntag Palmarum, mit dem die Karwoche eingeläutet wird. Und das ist die Woche, in der uns das Kreuz – die letzten Tage Jesu...die Gefangennahme, der Prozess und die Hinrichtung besonders nach zu Leibe rücken.  

Wir blicken da auf ein Geschehen, in dem ein Unschuldiger in die Mühlen der Justiz einer brutalen, Menschen verachtenden Besatzungsmacht gerät – und zermalmt wird. Das, was in den nächsten Tagen – vom Kirchenkalender her – folgt, malt das Bild einer unbarmherzigen Macht, die für sich allein das letzte Wort beansprucht.  

Auf diesem Hintergrund ist das Handeln dieser gleichsam namenlosen Frau subversiv.  

Das zeichenhafte Salben zum Begräbnis – bevor die römischen Mühlen anfangen zu mahlen! – stiehlt nämlich den Henkern die Schau.

Anders formuliert: diese Handlung entzieht den Römern die Regie über alles Kommende.  

Sicherlich: Jesus wird als unschuldiges Opfer von den Römern aus dem Weg geräumt werden. Und all sollte Kalkül haben – sollte eine Inszenierung der Übermacht der Besatzer sein.

Aber die Römer haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht.  

Wo die Römer dachten, sie wären die Herren der Welt – da haben sie nicht den eigentlichen HERRN der Welt im Blick. Und der wird ihnen zeigen, was eine Hake ist. 

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben...so haben wir es eben bei der Begrüßung hören können.  

Die Salbung zum Begräbnis ist so gesehen keine todessüchtige Handlung, keine Schicksalsergebenheit, sondern eine Markierung, wer denn hier der Herr des Geschehens ist.  

Jesus wird durch die Salbung dieser namenlosen Frau dann nicht mehr einfach das Opfer sein. Die Salbung deutet alles was kommt, vorab um.

Die Römer werden letztlich zu Statisten, deren Anspruch darauf, das letzte Wort zu haben, dann nur noch lächerlich erscheint.  

Und dafür ist es legitim...ja geradezu notwendig, jetzt das teure Öl zu verwenden – Geld zu verschwenden – weil es jetzt der Moment ist, wo genau das zum Ausdruck kommen muss.  

Und wenn dann die namenlose Frau gelobt wird, heißt dass nicht, dass die namenlosen Murrenden ins Unrecht gesetzt werden.

Es wird nur gesagt, dass die eine erkannt hat, worum es jetzt – in dieser Situation – geht – wo sonst die anderen richtig erkannt haben, was im Alltag zu tun ist.

Da wird nicht das eine gegen das andere ausgespielt.

Das ist wichtig.  

Mehr noch: die namenlose Frau bekräftigt durch ihre Handlung letztlich das Anliegen der Murrenden.  

Indem ihre Handlung den Tätern das letzte Worte verweigert, wendet sie sich automatisch auch gegen das, wofür eben die römische Herrschaft zur damaligen Zeit stand: sie wendet sich somit auch gegen all die Ausbeutung und Unterdrückung.

Die Frau und die Murrenden stehen auf der gleichen Seite.  

Und die Salbung eröffnet uns einen Schlüssel zum Verständnis all dessen, was sich damals abgespielt hat: Jesu Weg an das Kreuz – und der Ostermorgen.  

Diesen Weg zu verstehen als ein subversives Geschehen.

Bei dem diejenigen ins Unrecht gesetzt werden, die meinen auf Kosten anderer handeln zu dürfen.

Wo die ins Unrecht gesetzt werden, die meinen, dass das Leben eines Menschen nichts wert ist.

Wo die ins Unrecht gesetzt werden, die nur an sich denken und denen alles andere egal ist.

Wo die ins Unrecht gesetzt werden, die jetzt noch meinen, dass sie alle Macht haben und sich daran berauschen.  

Die Salbung Jesu ist eine Protestgeschichte.

Und keine Einstimmung dahingehend, Leiden hinzunehmen oder etwa zu verklären.

Die Passionsgeschichte ist eigentlich nichts anderes als ein Schlag in das Gesicht der Unmenschlichkeit.

Damals.

Wie auch heute.

Amen.

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