Predigt über Markus 16,1-8 Ostersonntag (20.4.2025)

Predigt über Markus 16,1-8 Ostersonntag (20.4.2025)

Predigt über Markus 16,1-8 Ostersonntag (20.4.2025)

# Emmaus: Predigten

Predigt über Markus 16,1-8 Ostersonntag (20.4.2025)

„Wir wollen alle fröhlich sein!“

So haben wir eingangs zusammen gesungen.

Ja – meine Sehnsucht ist genau die, dass wir alle ungebrochen einfach fröhlich sein können.

Nicht nur an diesem Ostertag!  

Doch wie passt das alles zusammen?

Unsere Welt – so wie sie ist – mit der Botschaft, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde?

Wie passt das alles zusammen?  

Wir stehen mit dieser Frage nicht allein.

Hören wir zuerst den Predigttext:  

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.  

...denn sie fürchteten sich.  

So endet das älteste Evangelium in seiner ursprünglichen Fassung.  

Müsste nicht – auf den ersten Blick – erwartet werden, dass die Frauen beschwingt, glücklich – vielleicht sogar euphorisch vom leeren Grab weggehen, vermittelt Markus einen anderen Eindruck.  

Am Ende stehen Zittern, Entsetzen, Furcht.  

Warum hat der Evangelist Markus seine Version der Geschichte Jesu so enden lassen?  

Gucken wir uns zuerst die Frauen an.  

Sie bringen sehr viel Mut auf, sich kurz nach der Hinrichtung Jesu bei dessen Grab sehen zu lassen. Anders als die Jünger – die haben sich verkrochen.

Was sicherlich beiden – Männern und Frauen – gemein ist, ist die Trauer. Und: die Verzweiflung darüber, dass alle ihre Hoffnungen auf Golgatha gebrochen wurden.

Und doch: die Frauen lassen sich vom römischen Terror nicht einschüchtern: sie gehen zum Grab – einen letzten Dienst an Jesus zu vollziehen.

Das Risiko, selbst Repressalien durch die Besatzer ausgesetzt zu werden, gehen sie ein. Schon am Kreuz waren es die Frauen, die Jesus bis zum Schluss solidarisch geblieben sind.

Ihr Mut ist groß in jenen Tagen.

Und: trotz ihres Mutes erwarten sie nichts mehr.

Außer einem geschundenen Leichnam. Mit all den Spuren der Folter. Der Verwesung preisgegeben.

Der Dienst der Frauen ist im wahrsten Sinne ein Liebesdienst.

Ein letzter Gang! Das Letzte, was sie hätten tun können.

Und das war’s.  

Und dann kommt das, womit niemand – auch keine der Frauen gerechnet hätte.

Das Grab ist leer.

Aber das ist es nicht allein. Es ist die Erklärung des Engels am leeren Grab: dass der, den sie am Kreuz haben sterben sehen, nicht mehr unter den Toten zu finden ist – sondern auferweckt wurde von Gott. Also lebt.

Worte, die gegen jede Erfahrung – gegen jede Vernunft sind.

Und diese Worte lösen Entsetzen und Zittern – Furcht aus...  

Aber wäre eine andere Reaktion überhaupt denkbar?

Ein abgeklärtes „Okay!“?

Ein erstauntes „Oh“?  

...denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen...  

So in Martin Luthers Worten...  

...denn sie waren außer sich vor Zittern...  

So finden wir es in einer anderen Übersetzung.  

Oder ganz anders in Worte gefasst: der Anblick des leeren Grabes...die Nachricht, dass Jesus auferweckt sei, haut sie buchstäblich um – bringt sie aus der Fassung – macht sie fassungs-los.  

Weil das eine mit dem anderen einfach nicht zusammenpasst… mit dem, was sie erlebt haben:  

Das Bild des am Kreuz qualvoll gestorbenen Rabbis vor Augen...

...die Tage und Stunden davor im Nacken...

...die Allgegenwart der Römer, diese Menschenmassen,

...diese Ohnmacht, diese Verzweiflung bei den anderen Gefährten Jesu, die eigene Hoffnungslosigkeit

...der Weg zum Grab...müde...schleppend...

...und dann der Schreck: die leere Grabkammer...

...Worte, die wie von fern gesprochen gar nicht richtig ins Ohr dringen wollen.

...Der Verstand, der sofort einwirft, dass es nicht sein, dass Jesus nicht tot ist.

...Und sofort die aufkeimende Hoffnung, dass es vielleicht doch wahr sein könnte...

...unterbrochen sofort wieder diesem Lebensgefühl der Hoffnungslosigkeit, das sich wie Mehltau über das Gemüt legt.

...und vor allem diese riesige Angst, etwas jetzt doch noch zu hoffen, was sich als schlechter Scherz herausstellen könnte.

...wohin sollten sie gehen? Nach Galiläa? Warum ist er nicht hier? Sagt es selbst? Lässt sich berühren – umarmen?

..oder sind sie schon irre geworden an all dem, was passiert ist? Opfer ihres Durcheinandergeschütteltseins?  

...denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen...  

...denn sie waren außer sich vor Zittern...  

Fassungslos!  

Die Frauen waren außer sich.

Denn wenn man aus der Fassung gebracht wird, stellt sich Furcht automatisch ein. Jeder Halt scheint verloren.  

Das ist keine Schwäche! Kein negatives Urteil.

Ganz im Gegenteil!  

„Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis.“ – so heißt es in der Sprüchen Salomos. Mit ihrer Reaktion – so könnte das Ende des Markusevangeliums und Salomo in Beziehung gesetzt werden – geben die Frauen ...schlicht und einfach... Gott die Ehre.  

Denn sie bringen damit zum Ausdruck, dass hier etwas geschehen ist, dass im wahrsten Sinne höher ist als all unsere Vernunft.

Dass die endlos erscheinende Abfolge von Gewalt nicht alles ist.

Dass das, was ist, eben wirklich nicht alles ist.  

...denn sie fürchteten sich.

…außer sich vor Zittern…  

Dass das am Ende steht...ist das nicht auch beruhigend?  

Ist es nicht eine Reaktion, die uns sehr nahe ist? Schon deshalb, weil wir gut 2000 Jahre später uns abmühen in einer Welt, die vom Tod – so mag es oft erscheinen – beherrscht wird?  

Würden wir ein Bild malen, könnten wir uns neben die Frauen am leeren Grab einzeichnen. Wo auch wir vor dem Grab stehen und auch außer uns sind… durchgeschüttelt.  

Wo das ungebrochene Osterlachen noch nicht möglich ist.

Aber verheißen ist.

Wo das „Außer-Sich-Sein“ – jetzt noch! – uns davor bewahrt, all das gegenwärtig bestehende Leid … die gegenwärtig getätigte Gewalt zu vergessen. Wo wir vom Zittern gehalten werden, all die Opfer im Blick zu behalten.

Wo all unsere wunderbaren Osterlieder welche sind, die wir als Vorgeschmack auf das, was uns verheißen ist, mit Inbrunst singen sollen und gleichzeitig das Zittern nicht verlernen und auch spüren sollen. Weil doch noch so viel aussteht.

Glauben im Blick auf Ostern – Glauben nach Ostern ist immer ein Glaube in Gebrochenheit.      

Zu Beginn sagte ich, dass der ursprüngliche Schluss des Markusevangeliums mit der Furcht endet.  

Generationen nach Markus hat man einen zweiten Schluss angefügt, der denen der anderen Evangelisten ähnelt: Ostergeschichten, in denen Jesus wieder vorkommt – wo er zum Hauptakteur wird – wo in Worte gefasst wird, dass das Grab wirklich leer ist.  

Es ist müßig zu fragen, warum dieser „zweite“ Schluss angefügt wurde. Hat man es nicht ertragen können, dass die Furcht am Ende steht? Wollte man das Evangelium den anderen angleichen? Wer weiß!  

Sagt uns der erste, dass die Botschaft vom leeren Grab uns eigentlich nur durchschütteln kann – gibt uns der zweite noch etwas anderes an die Hand.  

Die Frauen – wie auch die anderen – machten nach diesem sie aufwühlendem Ostermorgen Erfahrungen mit dem Auferweckten, die das Zutrauen in die Osterbotschaft nährten. Erfahrungen, die sie darin bestärkten, das Risiko, den Worten am Ostermorgen zu vertrauen, einzugehen.

So wie wir auch hier sind: gemeinsam zu singen, zu beten, Brot und Wein miteinander zu teilen und uns an diesem Jesus aus Nazareth festzuhalten.  

Amen.

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