Predigt zu Psalm 113 am Sonntag Trinitatis (15.6.2024)

Predigt zu Psalm 113 am Sonntag Trinitatis (15.6.2024)

Predigt zu Psalm 113 am Sonntag Trinitatis (15.6.2024)

# Emmaus: Predigten

Predigt zu Psalm 113 am Sonntag Trinitatis (15.6.2024)

Liebe Gemeinde,

nachher werden wir gemeinsam das Vaterunser sprechen. Und die ersten Worte des Gebetes sind ja: „Vater unser im Himmel“.

Wir beten also zu Gott, den wir mit diesem Gebet im Himmel - was immer das auch genau sein mag - verorten.

„Himmel“ - das markiert erst einmal, dass da eine Distanz ist. Nicht hier auf der Erde. Vielmehr: Gott, DER im Himmel wohnt. Also weit weg.  

Was bedeutet es, wenn wir zu Gott im Himmel beten, angesichts dessen, was wir hier auf Erden erleben? Angesichts all der Probleme - angesichts des zum Himmel schreienden Unrechts - all der Gewalt und Kriege… und Zerstörung?

Gott im Himmel.

Wie passt das zusammen?  

Hören wir auf den Psalm, den wir eingangs Wechsel gesprochen haben - in einer anderen Verdeutschung:    

Preist den Namen!

Preist, SEINE Knechte, den EWIGEN,

Preist den Namen des EWIGEN.

Es bleibe der Name des EWIGEN gesegnet, von jetzt an bis in Weltzeit.;

Vom Aufstrahlen der Sonne bis zu ihrer Ankunft, werde der Name des EWIGEN gepriesen.

Erhaben über alle Weltmächte der EWIGE, über den Himmel SEINE Wucht.

Wer ist wie der EWIGE, unser Gott?

Das Erhöhte zu bewohnen,

auf das Erniedrigte zu sehen im Himmel und auf der Erde?

DER aufrichtet aus dem Staub den Armen,

aus dem Kot den Bedürftigen,

ihn wohnen zu lassen neben den Edlen, neben den Edlen SEINES Volkes.

DER wohnen lässt die Entwurzelte im Hause,

Mutter der Söhne, freudige.

Preist den Namen!  

Der Mensch, der diesen 113. Psalm einst formuliert hat, verortet Gott auch im Himm el:  

Erhaben über alle Weltmächte (ist) der EWIGE, über den Himmel SEINE Wucht.

Wer ist wie der EWIGE, unser Gott?

Das Erhöhte zu bewohnen,

auf das Erniedrigte zu sehen im Himmel und auf der Erde?  

Das Erste, was von Gott erzählt wird, ist, dass ER erhaben über allem – das Erhöhte – bewohnt…und auf die Erde sieht.  

Und da nicht nur erzählt wird, dass Gott da wohnt, sondern dass ER auch die Erde betrachtet, wird automatisch eine sehr geläufige Aussage über Gott angestoßen… und eigentlich angetriggert:  

„Der liebe Gott sieht alles“  

So könnte es jetzt klingen.  

„Der liebe Gott sieht alles“

Das ist eine Vorstellung, die aber kontaminiert ist:

„Der liebe Gott sieht alles!“ – so wurde es über viele Generationen Menschen um die Ohren geschlagen. Um Angst zu schüren – um einzuschüchtern. Die moralisierende Keule. Meist nur als verlängerter Arm einer Kirche, die Menschen deckeln wollte…garniert mit ihrer menschenfeindlichen Sexualmoral bis unter die Bettdecke.

„Der liebe Gott sieht alles!“  

So benutzt ist es ein Satz, auf den man – wenn überhaupt – nur antworten kann: „…aber ER erzählt es nicht weiter!“ - um ihn zu konterkarieren.  

Doch dem Menschen, der von Gott in diesem Psalm erzählt, geht es nicht um dieses verquere Moral-Label für Gott.  

Gott in der Höhe sieht auf das Erniedrigte - so heißt es.  

Mehr noch:  

DER aufrichtet aus dem Staub den Armen,

aus dem Kot den Bedürftigen,

ihn wohnen zu lassen neben den Edlen, neben den Edlen SEINES Volkes.

DER wohnen lässt die Entwurzelte im Hause,

Mutter der Söhne, freudige.  

Gott hat die im Blick, die hier auf Erden unter die Räder gekommen sind: die, die sich im Dreck befinden… dort hineingeworfen worden sind.

Die Entwurzelten – gemeint sind die Frauen, die keine Kinder bekommen konnten und die damals dadurch aus dem Gesellschaftssystem gefallen sind – und die stellvertretend für all die stehen, die in den Augen einer Gesellschaft keinen Wert haben.

Gott hat die Schwächsten einer Gesellschaft im Blick.  

Und da bekommt die Beobachtung, dass Gott alles sieht, auf einmal einen ganz anderen Klang – eine vollkommen andere Bedeutung.

Es ist nicht mehr das klaustrophobisch Moralisierende, sondern es bekommt etwas Befreiendes.  

„Nichts bleibt Gott verborgen“ ermöglicht Hoffnung für alle, die zu Opfern geworden sind.

Indem Gott die Schwächsten – die Opfer – sieht, bleiben IHM auch nicht all die Schweinereien verborgen, die Menschen anderen Menschen antun.  

Wird auf der einen Seiten Hoffnung genährt, dass all die, die leiden, zu ihrem Recht kommen, so ist damit auch gesetzt, dass die Täter – die Verantwortlichen – zur Rechenschaft gezogen werden.

All die Benachteiligten kommen zu ihrem Recht.

Und das wird im Psalm als Teilhabe beschrieben.

Es wird zugleich nicht beschrieben, wie die Verantwortlichen sich verantworten müssen. Doch indem der Psalm sicherstellt, dass Teilhabe für die ermöglicht wird, die bisher das Nachsehen hatten, wird automatisch markiert, dass diejenigen, die zugelassen haben, dass Menschen im Dreck lagen und liegen, das fortan nicht mehr tun können.  

„Der liebe Gott sieht alles!“

Gott sei Dank - so können wir nur sagen.

Und es ist kein Wunder, dass am Anfang dieses Psalms mehrfach dazu aufgefordert wird, Gott - IHN zu preisen.  

So erzählt uns dieser Psalm, dass wir es mit einem Gott zu tun haben, DER parteiisch ist: DER auf der Seite derer steht, die zu Opfern in dieser Welt gemacht worden sind.  

Und damit steht dieser Psalm stellvertretend für alle biblischen Schriften.  

Beten wir zum Vater ihm Himmel, dann beten wir zu DIESEM Gott.    

Jetzt aber eine entscheidende Frage.

Sie bezieht sich darauf, wann denn das geschieht: „dieses ins Recht setzen“?

Wann endlich Schluss ist mit der Gewalt… dem ganzen Elend?  

Unsere christliche Tradition ist meist der Versuchung erlegen, das in das Jenseits zu verlegen. Mit der Konsequenz, die bestehenden Verhältnisse hinzunehmen. Mehr noch: mit dieser Haltung Unrecht einen Nährboden zu bereiten.

An sich ist das eine zutiefst zynische Haltung, die Gott nicht ernst nimmt - und IHM im wahrsten Sinne einen alten Mann sein lässt.

Nicht mehr und nicht weniger.  

Aber allein die Vaterunser-Bitten - die dem „Unser Vater im Himmel“ folgen -, dass Gott Reich kommen möge und dass SEIN Wille hier auf Erden wie im Himmel geschehen möge, müssten doch schon deutlich machen, dass es nicht um das Jenseits am Sankt-Nimmerlein-Tag handelt, sondern dass es sich nur um eine Veränderung hier auf Erden handeln kann.  

Denn wenn es stimmt, dass Gott über allem ist – wohnt – oder wie es in der anderen Übersetzung heißt, die wir eingangs im Wechsel gesprochen haben – über allem „trohnt“, dann heißt es doch, dass Gott allein das letzte Wort hat.

Und dass somit der Machtanspruch all der Verursacher des Elends bestritten wird.  

Nicht ein Trump hat das letzte Wort.

Kein Putin.

Keiner dieser Menschenverachter.

Gott allein.  

Preist den Namen!

Preist, SEINE Knechte, den EWIGEN,

Preist den Namen des EWIGEN.

Es bleibe der Name des EWIGEN gesegnet, von jetzt an bis in Weltzeit.;

Vom Aufstrahlen der Sonne bis zu ihrer Ankunft, werde der Name des EWIGEN gepriesen.  

Das Preisen Gottes mit diesem Psalm oder das Anrufen Gottes mit „Vater unser im Himmel“ ist somit eigentlich nichts anderes als ein Einlegen eines Widerspruchs gegen das Unrecht in dieser Welt.

Ein Widersprechen denen, die für das Unrecht verantwortlich sind.  

Und es ist etwas, bei dem wir selber Gott ins Gebet nehmen.

Unser Gebet als die Aufforderung, SEINER guten Schöpfung beizustehen.

Wo wir IHN in Verantwortung nehmen – und auch uns in Verantwortung nehmen lassen. Dass wir uns nicht mit dem bestehenden Unrecht abzufinden, sondern dass wir zugleich alles in unserer Kraft Bestehende tun, um die Verhältnisse zu verändern.

Dass das geschehen möge: dass sich hier auf Erden Frieden und Gerechtigkeit küssen mögen.  

Gesegnet sei Gott!

Amen.

 

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