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Predigt zum Buch Jona am 1. Sonntag nach Trinitatis (22.6.2025)
Predigt zum Buch Jona am 1. Sonntag nach Trinitatis (22.6.2025)
# Emmaus: Predigten

Predigt zum Buch Jona am 1. Sonntag nach Trinitatis (22.6.2025)
Liebe Gemeinde,
ich möchte Ihnen und Euch – in Gänze und in gegebener Kürze – die Geschichte von Jona erzählen bzw. in Erinnerung rufen.
… die Geschichte von Jona… (siehe das biblische Buch Jona)
Denken wir an Jona, kommt uns meist sofort der Wal in den Blick, mit dem diese Geschichte etwas Märchenhaftes und vor allem etwas Fantastisches bekommt. Ein wahrlich gewaltiges Stück Weltliteratur.
Doch der riesige Wal, von dem erzählt wird, dass er Jona verschluckt und nach drei Tagen wieder ausspeit, ist nicht das einzig Fantastische an dieser Erzählung.
Noch fantastischer ist, was danach folgt.
Was meine ich damit?
Ich fange bei Ninive an.
Ninive ist eine biblische Chiffre für das, was in jeder Hinsicht Gottes Weisung und so auch dem Leben entgegensteht. Nicht im moralischen Sinne, wie es in unserer christlichen Tradition immer gerne in die Geschichte hineingelesen worden ist: sondern Ninive als Ort, der Schrecken für alle anderen verbreitet hat: wo das Recht gebrochen worden ist… wo die Würde eines Menschen keinen Wert hatte. Wo Ausbeutung und Unterdrückung – bildlich gesprochen – auf den Wappen der Stadt abgebildet waren.
Heute würde man sagen. Ein „Schurken-Stadtstaat“.
Ninive – ein Name, bei der die Menschen noch Generationen später erschauderten.
Ninive – eine Stadt, die verloren erschien, weil sich das Böse… das Menschenfeindliche tief in die DNA der Stadtmauern und der Menschen dort eingebrannt hatte.
Kann es da überhaupt noch Hoffnung auf Änderung geben?
Nun fängt die Geschichte so an, dass alles – das Ende Ninive’s – besiegelt erscheint. Jona bekommt den Auftrag, in diese Stadt zu gehen und die Zerstörung anzukündigen.
Doch Jona macht sich aus dem Staub.
Oft wird gesagt, dass der Prophet schlicht Angst gehabt habe, sich in dieses mörderische Ninive zu begeben – dass es so etwas wie ein Himmelfahrtskommando gewesen wäre.
Das war aber nicht der Grund.
Sein Auftrag, in die Stadt zu gehen und den Menschen dort den unvermeidlichen Untergang mitzuteilen, löst bei Jona – dem Propheten – etwas ganz anderes aus.
Und das betrifft seine Integrität als Prophet: seine Glaubwürdigkeit.
Denn: Jona kannte Gott nur gut genug. Er wusste, dass Gott keine Freude daran haben würde, Ninive mit allem, was da drinnen lebte, dem Erdboden gleich zu machen.
Weil Gott – so wie es mehrfach in den biblischen Schriften heißt – keine Freude am Tod der Sünder … der Sünderin hat. ER – so wie es in einem Midrasch heißt – auch beim Ertrinken der ägyptischen Soldaten im Roten Meer – dem Himmlischen Hofstaat das Jubeln über die Befreiung des Volkes untersagt hat, weil doch auch die ertrunkenen Ägypter SEINE Geschöpfe seien.
Und sind nicht auch die Menschen in Ninive SEINE Geschöpfe?
Jona wusste also, dass Gott nie aufhören würde, doch noch zu hoffen, dass Menschen sich ändern… dass sie einsehen, dass ihr jetziges Handeln falsch ist – dass das nicht nur anderen schadet, sondern auch sie selbst am Ende in den Abgrund reißt. Gibt es doch immer noch Stärkere… noch Skrupelosere, die selbst Ninive übertrumpfen würden.
Jona wusste, dass Gott mit der Ankündigung des Unvermeidlichen einen weiteren – vielleicht auch letzten Versuch unternahm, die Menschen in Ninive doch noch wachzurütteln.
Und so war Jonas Ahnung:
„Wie stehe ich da, wenn die sich wirklich wachrütteln lassen?
Wenn die Menschen in Ninive wirklich verstehen?“
Dann stände er als Trottel da: großspurig den Untergang angekündigt … und: nichts passiert.
Immerhin heißt es doch in der Tora – im 5. Buch Mose – dass man einen richtigen Propheten daran erkennen, dass das, was er ansagt, auch eintritt.
Und er dann wie ein Scharlatan das Weite suchen darf.
Und weil eben Jona Gott so gut kannte, wollte er sich diesem Theater nicht aussetzen. Und daher suchte er das Weite.
Und wie die Geschichte erzählt, kommt er nicht weit und muss sich dem Auftrag beugen.
Jona geht also nach Ninive, verkündet den unvermeidlichen Untergang – und was passiert?
So wie er es vorausgesehen hat… nein… wie er es eigentlich gewusst hat: die Menschen in Ninive nehmen sich das zu Herzen… und „kehren um“…und: sie bekommen eine neue Chance.
Und Jona sitzt da vor den Mauern der Stadt: frustriert – regelrecht angefressen. Er fühlt sich benutzt. Und das Einzige, was ihn aufheitert, ist dieser Rizinusstrauch – der Einzige, der ihm etwas Gutes tut, in dem er dem Propheten Schatten spendet. Und gerade der geht kaputt.
Und so ist der Schluss der Geschichte, den ich anfangs schon gelesen habe, der Schlüssel für diese Geschichte:
Dir tut es leid um den Rizinus, um den du dich nicht bemüht und den du nicht grossgezogen hast, der in einer Nacht geworden und in einer Nacht zugrunde gegangen ist. 11Und da sollte es mir nicht leidtun um Ninive, die grosse Stadt, in der über hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht unterscheiden können zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und um die vielen Tiere?
In der Hebräischen Bibel ist diese kleine Geschichte so etwas, über die man regelrecht stolpert.
Sie ist durch und durch fantastisch. Eben nicht nur der Wal: viel fantastischer, weil Ninive umkehrt.
So als würde morgen Putin sich aus den besetzen Gebieten der Ukraine zurückziehen – abkehren von aller menschenfeindlichen Politik und Friedensgespräche führen.
Als würden alle Autokraten – von Putin bis Trump – Freunde der Menschenrechte werden und sich für den Klimaschutz einsetzen.
So als würden an diesem Tag alle Staaten im Nahen Osten beschließen, wirklichen Frieden miteinander schließen und sich von der Feindschaft verabschieden.
Ist das nicht alles vollkommen naiv?
Zu glauben, dass das passieren könnte?
Warum also solche eine fantastische Geschichte?
Diese Geschichte ist vielleicht gerade deswegen so über die Maßen fantastisch überliefert – regelrecht komponiert…erzählerisch auf die Spitze getrieben – weil sie damit zum einem ernst nimmt, dass unser Erleben – Gott sei es geklagt – ein ganz anderes ist.
Und gleichzeitig zum anderen: dass es trotzdem überlebenswichtig ist, eben niemals aufhören zu hoffen, dass sich doch noch etwas ändern kann…auch wenn es aussichtslos erscheint…. Auch wenn es aussichtslos erscheint.
Das jüdische Volk hat in seiner ganzen Geschichte damals – und auch danach – Situationen erlebt, die für die Menschen schrecklich waren… und keine Perspektive hatte: Knechtschaft in Ägypten – Deportation nach Babylon – das Leben unter einer Fremdherrschaft der Perser, der Griechen und dann der Römer – die Zerstörung des Landes.
Das Gefühl der Aussichtslosigkeit war ein ständiger Begleiter.
Hoffen, dass sich etwas ändern kann – hoffen, dass diejenigen, die das Leben bedrohen, damit aufhören, war und ist ein unglaublicher Kraftakt und zugleich eine Zumutung.
Eine strapazierte und vor allem geschundene Hoffnung im Großen und im Kleinen. Und von heute ausgesehen eine Hoffnung, die uns an die Grenzen des Erträglichen bringt und darüber hinaus: denn allein Auschwitz steht dafür, wie sehr Hoffnung ins Leere gehen kann…
Also es geht nicht um eine naive Hoffnungseuphorie.
Denn es ist ein Hoffen gegen unsere Erfahrung.
Es geht um ein sich Festklammern daran, dass „Ninive“ – damals und heute nicht das letzte Wort behält.
Damit auch die heutigen Ninives nicht unsere Herzen verhärten…unser Fühlen, Denken und Handeln versklaven.
Denn was wäre die Alternative?
Kapitulation vor dem Grauen?
Dass das Böse das letzte Wort hat?
Die Gewalt…die Ausbeutung?
Dass es nie aufhören wird, dass Menschen anderen Menschen Schaden zufügen?
Dass die Einzige Lösung nur noch gesehen wird im Sieg über den anderen… oder in der Vernichtung des Gegners.
Dass – wie aktuell angesichts dieser grauenvollen Kriege weltweit - die Militarisierung unserer Sprache und unseres Denkens die einzige Reaktion ist?
Und so stellt sich dieses Büchlein auch in unseren so trostlosen Zeiten in den Weg und erzählt uns, dass Gott EINER ist, DER bis zum Schluss die Hoffnung noch nicht aufgeben hat.
Und liegt damit auf der gleichen Ebene wie spätere Erwählende, die zu späteren Zeiten davon berichtet haben, dass Gott den Zimmermannsohn aus Nazareth nicht dem Grab – dem Tod – überlassen hat.
Eine fantastische Geschichte darüber, dass Gott das Leben liebt.
Und dass Gott bis zuletzt hofft.
Und wenn ER hofft, gibt ER uns eine Grundlage, das Gleiche zu tun…und sei es als Hoffnungs-Trotz.
Amen.
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